Unhygienisch, finden die einen. Befreiend, sagen die anderen. Geht es darum, die Unterhose auch mal wegzulassen, hat jeder eine klare Meinung.
Dabei hat der Verzicht aus medizinischer Sicht durchaus Vorteile, wie Tobias Sanden sagt. Der Gynäkologe erklärt im Interview, warum frische Luft im Intimbereich sinnvoll ist - und warum gesellschaftliche Erwartungen dabei eine Rolle spielen.
Tobias Sanden: Mit Blick auf Infektionen und Hautreizungen gibt es viele Vorteile, wenn man „unten ohne“ unterwegs ist: Enge Unterwäsche erhöht eher das Risiko für Infektionen, wenn Körperausscheidungen länger auf der Haut verbleiben. Auch das Tragen von Slipeinlagen oder Synthetik-Wäsche, die die Haut nicht atmen lässt, begünstigen Infektionen.
Verzichtet man aber ganz auf Slips und Co. wird es problematisch: Dann wird schließlich die Oberbekleidung zur Unterwäsche. Jeans, Leggings oder Hosen werden oft mehrere Tage hintereinander getragen und nicht so häufig gewechselt und gewaschen wie Unterwäsche.
Sanden: Es ist immer besser, wenn die Haut atmen kann. In bestimmten gesundheitlichen Zuständen ist der Verzicht sogar medizinisch sinnvoll: Dadurch werden Reizungen vermieden oder die Heilung gefördert.
So kann bei Neurodermitis das Tragen von Unterwäsche die Haut reizen und den Juckreiz verstärken. Auch bei Pilzinfektionen hilft es, die Haut trocken zu halten, da Pilze feuchte Umgebungen bevorzugen.
Daher sollte man auch - oder wenigstens - beim Schlafen unten „durchlüften“. Wer doch lieber etwas anhat, kann auch einen lockeren Pyjama tragen.
Und beim Sport gilt: Wenn Unterwäsche im Training oder beim Joggen getragen wird, sollte sie atmungsaktiv sein. Und beim Radsport ist es ohnehin besser auf Unterwäsche unter der Funktionskleidung zu verzichten.
Sanden: Größtenteils ist das Tragen von Unterwäsche von gesellschaftlichen Erwartungen geprägt. Kleidung an sich ist eher eine soziale Konvention und bietet nicht unbedingt gesundheitliche oder hygienische Vorteile. Stattdessen kann sie oft unbequem sein.
Unterwäsche hat aber auch praktische Gründe. Zum Beispiel für Frauen während ihrer Periode: Wenn Alternativen wie Tampons oder Menstruationstassen nicht möglich oder gewollt sind, können Einlagen verwendet werden - und dafür sind Slips perfekt geeignet.
Zur Person: Tobias Sanden ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe aus Mainz. In seiner Arbeit liegt sein Fokus auf den Bereich Sport und Präventivmedizin.
© dpa-infocom, dpa:240715-930-174871/1