Deutschland und seinen Verbündeten benötigen mehr Munition für die eigenen Truppen und die Unterstützung der Ukraine - der Rüstungskonzern Rheinmetall will seine Produktion deshalb deutlich ausweiten. In der Lüneburger Heide soll am bestehenden Standort Unterlüß (Landkreis Celle) eine neue Fabrik für Artilleriemunition entstehen.
Bundeskanzler Olaf Scholz setzte zusammen mit Verteidigungsminister Boris Pistorius (beide SPD), Firmenchef Armin Papperger und der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen den symbolischen ersten Spatenstich für das Werk, das in nur zwölf Monaten Bauzeit fertiggestellt werden soll. Bereits im kommenden Jahr solle die Produktion anlaufen, kündigte der Rüstungskonzern an.
„Mit der Investition legen Sie die Grundlage dafür, die Bundeswehr und unsere Partner in Europa eigenständig und vor allem dauerhaft mit Artilleriemunition zu versorgen“, sagte Scholz in Richtung des Rüstungskonzerns. Das sei gerade mit Blick auf die Ukraine und ihren Munitionsbedarf wichtig. „Wir haben uns bisher beholfen, indem wir sehr viel aus dem Bestand geliefert haben“, erklärte der Kanzler. Aber dies sei immer weniger möglich. „Es ist wichtig, dass wir alles dafür tun, die Produktion weltweit zu erhöhen.“ Das neue Werk von Rheinmetall sei hier ein wichtiges Signal.
„Viel zu lange ist Rüstungspolitik in Deutschland so betrieben worden, als ginge es dabei um einen Autokauf“, monierte Scholz. „Aber so funktioniert Rüstungsproduktion eben nicht! Wenn über Jahre hinweg nichts bestellt wird, dann wird auch nichts produziert.“ Umso wichtiger sei es, die Produktion jetzt zügig zu erhöhen. „Wir müssen weg von der Manufaktur - hin zur Großserien-Fertigung von Rüstungsgütern“, so Scholz. „Nur so kann nachhaltig geplant und beschafft werden. Nur so erreichen wir unser Ziel, die Bundeswehr wieder zu einer der leistungsfähigsten konventionellen Streitkräfte in Europa zu machen.“
Firmenchef Papperger erklärte, mit dem neuen Werk wolle Rheinmetall der Bundeswehr helfen, bei der Munitionsbeschaffung die leeren Lager wieder zu füllen und unabhängig von Lieferungen aus dem Ausland zu werden. „Wir tun dies aus der Verantwortung und dem Willen heraus, mit unseren Technologien maßgeblich zur Verteidigungsfähigkeit unseres Landes und unserer Nato-Partner beizutragen“, sagte er. „Dies ist nicht nur für Rheinmetall, sondern auch für die Bundesrepublik Deutschland und Europa von strategischer Bedeutung.“ Der enorme Munitionsverbrauch der Ukraine verschärfe die Lage noch. Und das sei nicht nur ein deutsches Problem, ergänzte Dänemarks Ministerpräsidentin, die kurzfristig zu dem Termin dazugestoßen war. „Der Krieg in der Ukraine geht uns alle an.“
2025 sollen zunächst 50.000 Artilleriegranaten das neue „Werk Niedersachsen“ verlassen, 2026 dann 100.000 und später 200.000 pro Jahr. Produziert werden vor allem 155-Millimeter-Artilleriegeschosse, daneben auch Sprengstoff und Komponenten für Raketenartillerie. 300 Millionen Euro will der Konzern in das neue Werk investieren, 500 Arbeitsplätze sollen entstehen.
Die Investition ist Teil des Plans von Rheinmetall, die Munitionsfertigung deutlich zu erhöhen. Vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine vor fast zwei Jahren habe der Rüstungskonzern in Deutschland, Spanien, Südafrika und Australien insgesamt nur 70 000 Artilleriegeschosse pro Jahr hergestellt, sagte ein Sprecher. Inzwischen seien es 400.000, im kommenden Jahr sollten es 700 000 werden.
Unterlüß ist bereits der größte Produktionsstandort des Rüstungskonzerns, neben Munition werden hier auch Militärfahrzeuge wie der Schützenpanzer Puma hergestellt. Derzeit hat Rheinmetall an dem Standort 2500 Mitarbeiter. Auch Artilleriemunition wird hier bereits hergestellt, aber in deutlich kleinerem Umfang von 30 000 bis 40.000 Granaten pro Jahr und nur als Endmontage aus angelieferten Teilen.
Für das neue Werk, das fünf- bis sechsmal so viele Granaten liefern soll, gebe es bereits eine Abnahmegarantie der Bundesregierung, sagte ein Konzernsprecher. „Sonst würde auch niemand eine solche Investition tätigen.“ Die Baukosten trage Rheinmetall allein. Scholz verwies in seiner Rede auf seine Zusage, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. „Auf diese Zusage können sich die Bundeswehr und die Industrie verlassen.“
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