Die CSU ist bei der Bundestagswahl in Bayern mit großen Stimmengewinnen stärkste Kraft geworden und hat damit ihren jahrelangen Abwärtstrend beenden können.
Nach der dritten Hochrechnung des Bayerischen Rundfunks liegen die Christsozialen unter ihrem Parteichef Markus Söder bei 37 Prozent, das wären rund fünf Prozentpunkte mehr als vor vier Jahren. Damals war die CSU mit 31,7 Prozent auf ein historisch schlechtes Ergebnis abgestürzt. Ungetrübt war die Freude auf der Wahlparty in der Münchner CSU-Zentrale dennoch nicht: Die Partei blieb damit klar unter den eigenen Erwartungen, etliche CSU-Politiker hatten auf ein Ergebnis von an die 40 Prozent gehofft.
Doch am rechten Rand hat die AfD laut Hochrechnung ihren Stimmanteil auf 19 Prozent mehr als verdoppelt. 2021 hatte die Partei im Freistaat 9,0 Prozent erzielt. Einmal mehr enttäuscht in seinem bundespolitischen Ehrgeiz wurde Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger: Laut Hochrechnung verloren die Freien Wähler deutlich.
CSU-Chef Markus Söder sagte im Bayerischen Rundfunk: „Es dürfte das beste Ergebnis aller Parteien in Deutschland sein.“ Der Ministerpräsident lehnte wie zuvor im Wahlkampf eine Koalition der Union mit den Grünen ab. Es scheine so zu sein, dass es für CDU und CSU entweder mit einem oder möglicherweise mit zwei Partnern reiche, sagte Söder bei einer Videoschalte aus Berlin bei der CSU-Wahlparty in München. „Relativ klar ist aber, es geht ohne die Grünen.“ Söder sicherte dem CDU-Chef Friedrich Merz zu, dass er und der voraussichtliche nächste Bundeskanzler Merz so eng zusammenarbeiten würden „wie noch nie zuvor und wir werden alles gemeinsam besprechen“.
Bei der AfD herrschte nach dem großen Erfolg Euphorie: Bei dem „ganzen Widerstand“, der der Partei entgegengesetzt worden sei, sei das ein „hervorragendes Ergebnis“, sagte der Landesvorsitzende Stephan Protschka im Bayerischen Rundfunk. Die jüdische Gemeinde reagierte bestürzt: „Die Befürchtungen sind wahr geworden: Ein Fünftel der Wähler schickt eine rechtsextreme und antisemitische Partei in den Deutschen Bundestag“, sagte Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.
Der bayerische DGB-Vorsitzende Bernhard Stiedl zielte mit seiner Kritik auf CDU und CSU, ohne die Union beim Namen zu nennen: „Wer Migration zum wichtigsten Wahlkampfthema macht, der hilft damit nur der extremen Rechten.“
Für die in Bayern seit Jahrzehnten nahezu kontinuierlich schrumpfende Wahlergebnisse gewohnte SPD war es einmal mehr ein Schreckensabend: Die Partei von Bundeskanzler Olaf Scholz landete laut Hochrechnung in Bayern mit 11,9 Prozent nur noch auf Rang vier und verlor im Vergleich zu 2021 mehr als sechs Prozentpunkte. Offensichtlich sei der Frust über die Ampelregierung sehr groß gewesen, konstatierte die Landesvorsitzende Ronja Endres im BR.
Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter nannte die Niederlage der Sozialdemokraten „desaströs“ und forderte personelle Konsequenzen - ohne zu sagen, wen er damit meinte: „Wir müssen ab sofort und ohne die üblichen Allgemeinplätze nach solchen Ergebnissen intern Klartext reden. Und zwar sowohl was Inhalte als auch was das Personal betrifft.“ Reiter hatte sich bereits im Wahlkampf gegen eine erneute Kandidatur von Scholz ausgesprochen.
Überholt wurden die Sozialdemokraten von den Grünen, die vergleichsweise geringe Einbußen erlitten und mit 12,1 Prozent drittstärkste Kraft im Freistaat wurden. „Viele hatten größere Sorgen vor dem heutigen Abend“, sagte im BR der Grünen-Bundestagsabgeordnete Toni Hofreiter. In den Umfragen vor der Wahl hatten die Grünen zwischenzeitlich noch erheblich tiefer gelegen.
Die Linke lag nach den Hochrechnungen mit 5,5 Prozent auch in Bayern überraschend gut, die FDP landete mit 4,0 Prozent im Freistaat unter der Fünf-Prozent-Hürde - das wäre weniger als halb so viel wie 2021.
Stark verloren haben aber auch die Freien Wähler, die laut Hochrechnung 4,5 Prozent holten. Andere Parteien seien „einfach mehr im Mittelpunkt gewesen“, sagte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in München. „Die AfD hat natürlich die Schlagzeilen beherrscht über Monate hinweg, und dagegen angehen zu können, ist eben sehr schwierig.“
Den bayerischen Wirtschaftsminister zieht es seit Jahren in die Bundespolitik, Aiwanger war selbst im Wahlkreis Rottal-Inn als Direktkandidat angetreten. Einzige Chance für die Freien Wähler, in den Bundestag einzuziehen, wären nach dem neuen Wahlrecht Erfolge von Direktkandidaten in drei Wahlkreisen. Doch Aiwanger verlor in seinem Wahlkreis und räumte die Niederlage ein. Andere FW-Kandidaten waren bei den Auszählungen in ihren jeweiligen Wahlkreisen aussichtslos abgeschlagen.
Abgeschlagen lag auch das Bündnis Sahra Wagenknecht, das laut BR-Hochrechnung in Bayern nur auf 3,1 Prozent der Stimmen kam.
Der Erfolg der AfD ist nach Einschätzung der Politikwissenschaftlerin Ursula Münch keineswegs nur auf Protestwähler zurückzuführen. Dennoch geht Münch davon aus, dass die weitere Entwicklung der Partei maßgeblich von der Arbeit der voraussichtlich unionsgeführten nächsten Koalition in Berlin abhängt. „Das liegt auch daran, wie es der kommenden Bundesregierung gelingen wird, die Probleme zu lösen.“
Im Freistaat waren rund 9,2 Millionen Wahlberechtigte zur Wahl des neuen Bundestages aufgerufen. Viele von ihnen hatten ihre Stimme auch schon vorab per Briefwahl abgegeben. In Bayern traten laut Landeswahlleiter 737 Kandidatinnen und Kandidaten auf 17 Landeslisten und als Wahlkreiskandidaten an.
2021 war die SPD in Bayern auf 18,0 Prozent gekommen. Die Grünen holten 14,1 Prozent, die FDP erreichte 10,5 Prozent, die AfD 9,0 Prozent, die Linke 2,8 Prozent und die Freien Wähler kamen auf 7,5 Prozent.
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