Bei Schnitzeln und Steaks im Supermarkt soll sich bald ein genauerer Blick lohnen - auf ein neues schwarz-weißes Logo auf vielen Verpackungen. Nach jahrelangem Gezerre hat der Bundestag eine staatliche Kennzeichnung beschlossen, an der man beim Fleischkauf die Bedingungen in der Tierhaltung erkennen kann.
Noch in diesem Jahr will Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) die Pflichtanzeige an den Start bringen, und zwar im ersten Schritt mit frischem Schweinefleisch im Handel. Mehr Produkte und Absatzwege sollen dann zügig folgen. Von Opposition und Tierschützern kam scharfe Kritik.
Özdemir sagte, auf jeder Verpackung solle schrittweise stehen, wie das Tier gehalten wurde. Zugleich werde die Leistung der Bauern sichtbar gemacht. „Sie kriegen Geld dafür, wenn sie sich für höhere Haltungsformen entscheiden.“ Das Gesetz solle 2024 verbindlich werden, freiwillig könne das Logo in diesem Jahr eingeführt werden. SPD-Expertin Susanne Mittag hob das hohe Vertrauen in eine staatliche Kennzeichnung hervor, dass Einfluss auf Kaufentscheidungen haben werde. Für die FDP sprach Ingo Bodtke sprach von einem Grundstein für eine marktwirtschaftliche Weiterentwicklung der Tierhaltung.
Der Deutsche Tierschutzbund monierte, das Gesetz verhelfe „keinem einzigen Tier zu einem besseren Leben“. Mit den unteren Stufen würden „eindeutig tierschutzwidrige Haltungssysteme“ staatlich gesiegelt. Die Organisation Vier Pfoten beklagte bei der zweiten Stufe nur ein „läppisches 'Plus' von wenigen Quadratzentimetern mehr Platz“. Mit intransparenten Bezeichnungen sei eine Lenkungswirkung hin zum Konsum von Produkten mit weniger Tierleid kaum möglich. Ina Latendorf (Linke) verlangte, die Kennzeichnung müsse den gesamten Lebenszyklus der Tiere abbilden. „Alles andere ist Verbrauchertäuschung.“
Geplant ist ein System mit fünf Kategorien, wenn Ferkel nach der Aufzucht in die Mast kommen. Es beginnt bei der Haltungsform „Stall“ mit den gesetzlichen Mindestanforderungen. Die Stufe „Stall+Platz“ gibt unter anderem 12,5 Prozent mehr Platz vor, die Stufe „Frischluftstall“ Kontakt zu Außenklima etwa mit offenen Stallseiten. Dazu kommen die Stufen „Auslauf/Weide“ und „Bio“. Dabei geht es um eine Pflichtkennzeichnung inländischer Erzeugnisse aller Haltungsformen.
Özdemirs Vorgängerin Julia Klöckner (CDU) hatte noch einen anderen Ansatz verfolgt: ein freiwilliges Label, aber nur für eine bessere Haltung über dem Mindeststandard. Doch das scheiterte.
Aussehen soll die Kennzeichnung sachlich-nüchtern: ein weißes, leicht abgerundetes Rechteck, in dem in schwarzer Umrahmung „Tierhaltung“ steht. Die Haltungsform anzeigen soll dann ein schwarz ausgefülltes kleineres Rechteck - bei fünf kleinen Rechtecken für die fünf Kategorien. Bei gemischten Produkten wie Hackfleisch oder großen Packungen mit Fleisch aus verschiedenen Haltungsformen können auch Prozentangaben in den kleinen Rechtecken stehen: also zum Beispiel „70% Stall“ und „30% Stall+Platz“. Dominiert eine Haltungsform mit mindestens 80 Prozent, kann nur sie auf dem Aufdruck markiert werden.
In den Kühltheken trifft das künftige staatliche Logo auf eine etablierte Konkurrenz. Bereits seit 2019 gibt es eine weit verbreitete eigene Kennzeichnung der Supermarktketten mit dem Aufdruck „Haltungsform“. Sie hat auf den Etiketten die Zahlen 1 bis 4 für vier verschiedene Stufen und dazu die Farben rot, hellblau, orange und grün. Viele Kunden kennen das System inzwischen, das noch länger parallel bestehen bleiben dürfte - zumal es außer Fleisch von Schweinen auch schon Produkte von Geflügel und Rindern umfasst.
Noch in diesem Jahr will die Koalition beim staatlichen Logo eine Ausweitung auf verarbeitete Ware wie Wurst und die Gastronomie in Angriff nehmen - ebenso auf Zuchteber, Sauen und Ferkel. Danach sollen bis 2025 andere Tierarten folgen. Im Blick steht zudem eine ausgedehntere Kennzeichnung nach dem Herkunftsland. Bauernpräsident Joachim Rukwied mahnte in der „Rheinischen Post“ (Samstag), „nun sehr schnell nachzulegen“. Die Verbraucherzentralen forderten eine Informationskampagne, was von welcher Haltungsstufe konkret zu erwarten sei. Um Verwirrungen und einen „Label-Dschungel“ zu vermeiden, sollte das staatliche Label das freiwillige ersetzen.
Das Logo soll durch die Möglichkeit zum gezielten Kauf den Wandel zu höheren Haltungsformen unterstützen. Auf Kosten und Aufwand dafür sollen die Bauern aber nicht allein sitzen bleiben. Die Ampel-Koalition reservierte als Startfinanzierung zunächst eine Milliarde Euro. Die reicht aber nur für die ersten Jahre und für Schweine.
Eine ganz grundsätzliche verlässliche Finanzlösung auch für andere Tierarten wird vorerst weiter gesucht. Im Gespräch ist nach Experten-Empfehlungen eine „Tierwohlabgabe“ auf tierische Produkte. Denkbar wäre etwa ein Aufschlag von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch.
Neben der Kennzeichnung sollen weitere Elemente für einen Wandel der Tierhaltung zu höheren Standards kommen. Beschlossen hat der Bundestag daher auch Erleichterungen im Baurecht für Ställe. Sie sollen möglich werden, wenn Anlagen für die drei oberen Haltungsformen „Frischluftstall“, „Auslauf/Weide“ und „Bio“ umgestaltet werden. Um jedem Tier mehr Platz zu bieten, sollen Bauern größer bauen können, solange die Höchstzahl der Tiere gleich bleibt.
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