Hubert Aiwangers Freie-Wähler-Pleite | FLZ.de

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Veröffentlicht am 24.02.2025 01:32

Hubert Aiwangers Freie-Wähler-Pleite

Aus der Traum: Die Freien Wähler sitzen weiterhin nicht im Bundestag. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
Aus der Traum: Die Freien Wähler sitzen weiterhin nicht im Bundestag. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
Aus der Traum: Die Freien Wähler sitzen weiterhin nicht im Bundestag. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Den Wahlabend hatte sich Hubert Aiwanger ganz, ganz anders vorgestellt. Drei Direktmandate wollte er mit seinen Freien Wählern holen und so erstmals überhaupt in den Bundestag einziehen. „Alles ist möglich“, die Chancen seien „gar nicht so schlecht“, hatte er noch bei seiner Stimmabgabe am Mittag gesagt. Und am Abend nun steht der Freie-Wähler-Chef in einem Münchner Wirtshaus und muss die Niederlage eingestehen.

Und es ist nicht einmal eine knappe Niederlage. Sondern eine Pleite auf ganzer Linie. Die bundesweite Fünf-Prozent-Hürde ist sowieso völlig außer Reichweite, wieder einmal. Und von den Direktkandidaten hatte kein einziger am Ende auch nur den Hauch einer Chance auf einen Erststimmensieg. Auch Aiwanger nicht.

„Vier Musketiere“ kämpften vergeblich

„Natürlich wären wir gerne dabei gewesen. Natürlich hätten wir gerne die 3 plus X Direktmandate geholt“, sagt Aiwanger. „Wir vier Musketiere sind losmarschiert, haben die Speerspitze gebildet. Viele weitere neben uns, hinter uns, vor uns“, sagt er, meint damit sich selbst, den Landshuter Landrat Peter Dreier, die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller und den Gersthofener Bürgermeister Michael Wörle. Doch die vier Musketiere gehen im Kampf um Erststimmen an diesem Bundestagswahlabend am Ende unter.

Aiwanger und Dreier nur auf Platz drei

Tatsächlich landet Aiwanger in seinem Wahlkreis Rottal-Inn bei den Erststimmen mit 23,0 Prozent nur auf Platz drei hinter CSU und AfD. Genauso ergeht es Dreier im Wahlkreis Landshut mit 18,5 Prozent. Baier-Müller muss sich mit 8,6 Prozent und Rang vier begnügen, Wörle holt in Augsburg nur 3,7 Prozent.

Aiwangers Strategie, mit zwei Landräten und ihm selbst an der Spitze drei Direktmandate zu holen und so den Bundestagseinzug zu schaffen, ist damit gescheitert. Es war ja eine Art Not-Strategie, als auch den Freien Wählern klar wurde, dass es mit der Fünf-Prozent-Hürde wieder nichts werden würde.

Zur Erinnerung: 2013 und 2017 hatten die Freien Wähler bundesweit jeweils 1,0 Prozent geholt. 2021 waren es immerhin schon 2,4 Prozent. Und dann wuchsen die Hoffnungen weiter: Aiwangers umstrittene „Demokratie zurückholen“-Rede auf einer Kundgebung und die Affäre um ein Flugblatt aus Schulzeiten brachten ihm - wenn auch zweifelhafte - Bekanntheit über die bayerischen Grenzen hinaus und mehrere Einladungen in Talkshows ein. Die Folge: Bundesweite Umfragen sahen die Freien Wähler Ende 2023 bei bis zu vier Prozent. 

„Leider Gottes nicht geschafft“

Davon sind die Freien Wähler aber inzwischen wieder weit entfernt. Vergeblich diente sich Aiwanger der Union immer wieder als potenzieller Koalitionspartner an. „Leider Gottes haben wir es nicht geschafft, dem Wähler unsere Idee der koalitionsfähigen bürgerlichen Kraft nahezubringen“, muss er nun einräumen. 

Und woran lag's? „Es hat am Ende eben nicht gereicht, weil einfach viele Wähler diesmal gesagt haben, wir wollen noch radikalere Parteien wählen und wollen ein Zeichen gegen die Zuwanderung setzen offenbar“, sagt Aiwanger. „Bei dieser Bundestagswahl haben eben viele gesagt, die uns bei der Landtagswahl gewählt haben: Diesmal wähle ich die AfD.“ Bei der nächsten Landtagswahl wolle man genau diese Wähler aber wieder zurückgewinnen, betont er.

Eine Bundestagswahl habe eben doch andere Gesetzmäßigkeiten als eine Kommunalwahl oder eine Landtagswahl. „Noch dazu, wenn man uns täglich mehrmals mitgeteilt hat, dass ihr ja eh nicht reinkommt“, sagt Aiwanger. Deshalb hätten sich viele Wähler wohl entschieden, am Ende nicht die Freien Wähler zu wählen.

Nur ganz leise Selbstkritik

Darüber hat sich Aiwanger ja immer wieder beschwert: dass er sich von den Medien missachtet fühlt, bundesweit jedenfalls. Sahra Wagenknecht sei Dauergast in Talkshows - „vielleicht deshalb, weil sie schönere Beine hat als ich, meine Damen und Herren, ich weiß es nicht“, meinte Aiwanger Anfang des Jahres. Immerhin ist am Wahlabend auch ein klein wenig Selbstkritik zu hören: „Wir werden in den sozialen Medien noch stärker werden müssen“, sagt er. 

Andererseits argumentiert Aiwanger, man habe „alles richtig gemacht. Ich wüsste nicht, was wir besser hätten machen können in dieser Situation.“ Diesmal seien die Stimmen einfach „zu schrilleren Parteien gegangen“. 

Der 54-Jährige selbst will jedenfalls weitermachen mit der Mission Bundestag, daran lässt Aiwanger keine Zweifel. „Ich werde mich weiterhin sehen lassen - nicht nach dem Motto „Wahl rum, Aiwanger weg”.“ Er sei überzeugt, „dass wir bei künftigen Wahlen als Freie Wähler weiterhin Stück für Stück wachsen werden“.

„Es wird auch der Tag kommen, wo wir im Bundestag sitzen“, sagt Aiwanger - und verabschiedet sich mit den Worten: „Schöne Grüße nach Berlin. Irgendwann kommen wir, wenn ihr gar nicht damit rechnet.“

© dpa-infocom, dpa:250224-930-384790/1


Von dpa
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