Der Geschichte von Lichtenau und seinen Ortsteilen hat der Immeldorfer Gerhard Obenauf einen Großteil seiner Freizeit gewidmet. Akribisch arbeitete der ehrenamtliche Kulturbeauftragte das Archiv seiner Heimatgemeinde auf. Dafür wurde der 81-Jährige von der Jury mit dem FLZ-Ehrenamtspreis für den Monat Januar ausgezeichnet.
Alles fing 2008 an, als der frühere Lichtenauer Bürgermeister Uwe Reißmann einen ehrenamtlichen Kulturbeauftragten suchte. „Ich war schon immer heimatkundlich interessiert“, verrät Gerhard Obenauf. Schon früher, als der ehemalige Lehrer noch an einer Förderschule in Nürnberg Jugendliche mit geistigen Beeinträchtigungen unterrichtete, war die Heimatkunde – neben der Astronomie – sein großes Hobby. Durch seine Tätigkeit als Kulturbeauftragter kam er auf der Suche nach Unterlagen dann auch mit dem Archiv in Berührung.
Die Dokumente waren zu dem Zeitpunkt aber weder professionell eingelagert noch richtig katalogisiert, sondern stapelten sich einfach in Schränken. „Es hat schon Findlisten gegeben, aber die sind ein bisschen unter Verschluss gehalten worden.“ Gerhard Obenauf jedoch fand, dass ein ordentliches Archiv jedem zugänglich gemacht werden sollte. Also machte er sich daran, das gesamte Material zu sortieren, neu zu ordnen und Findlisten anzulegen, auf denen alles Vorhandene exakt aufgeführt ist. „Ich habe mit dem Umland angefangen, also den Orten, die bis 1971 selbstständig waren“, berichtet er. „Dann habe ich mich breitschlagen lassen, dass ich auch das Archiv von Lichtenau aufarbeite.“
Aufgehoben worden waren viele Rechnungen und Urkunden, aber auch einige Siegel, Medaillen, Fotografien und Bilder. Das Wissen über den richtigen Umgang mit Archivmaterial musste sich Obenauf zu Beginn seiner ehrenamtlichen Tätigkeit erst aneignen. Unterstützung bekam er dabei von Kreisarchivpfleger Oskar Geidner.
Was gefällt ihm an der Archivarbeit? „Dass man Dinge aus der Vergangenheit wieder ans Tageslicht bringen kann.“ Bei seiner Tätigkeit ist Obenauf auf so einige interessante Fakten gestoßen. „Wir haben genau 100 Jahre elektrischen Strom in Immeldorf“, erzählt er begeistert. Das belegen Verträge über Stromlieferungen aus dem Jahr 1925. Die ältesten Dokumente sind, so schätzt er, Hirtenrechnungen aus dem Jahr 1580. Damals wurden Kuh- und Schafhirten dafür bezahlt, dass ihre Tiere die Wiesen im Gemeindegebiet abweideten. Bezahlt wurden sie vorwiegend in Naturalien, die Organisation des Geschäfts lief über die Gemeindeverwaltung. Auch zum Reichsarbeitsdienst, der von 1934 bis 1936 in Lichtenau und Umgebung aktiv gewesen sei, habe er einiges gefunden, erinnert sich Obenauf. „Die haben das Schwimmbad und die neuere Turnhalle gebaut.“
Natürlich taucht auch die Festung immer wieder in den Unterlagen auf. Vor 1980 habe man sich Gedanken gemacht, wie die Burg künftig genutzt werden soll, erzählt er. So spielte man mit dem Gedanken, dort Gastronomie oder sogar ein Hotel einzurichten – bis schließlich eine Außenstelle des Staatsarchivs Nürnberg einzog. Die mächtige Anlage im Herzen der Marktgemeinde lockt auch immer wieder Auswärtige an, die das Schild auf der Autobahn gesehen haben, das auf eine Sehenswürdigkeit hinweist. „Die sind immer ganz platt“, wenn sie das schön hergerichtete Schmuckstück sehen. „Das ist nur über die staatlichen Mittel möglich gewesen.“
Die Geschichte der Festung findet Gerhard Obenauf an der Ortsgeschichte mit am spannendsten. Sein Wissen darüber gibt der Immeldorfer, der 2009 den Museumsverein Lichtenau und auch die Kulturburg mit initiiert hat, gern im Rahmen von Führungen weiter. Termine können über die Gemeindeverwaltung vereinbart werden.
Ende 2024 hat Obenauf die Archivierung vorerst abgeschlossen. „Fertig werde ich aber nie“, bemerkt er. Denn solange es die Marktgemeinde gibt, wird auch immer Material dazukommen. Bürger, die bestimmte Informationen suchen, können sich die Dokumente nun auf Anfrage bei der Gemeinde vorlegen lassen. Gelagert wird das Material im Rathaus – die Dokumente, die den Hauptort betreffen, im Keller, die Unterlagen zum Umland in einem kleinen Raum im ersten Stock. Obenauf kann sich gut vorstellen, in Zusammenarbeit mit der Gemeinde einmal eine Ausstellung zu planen. „Im März ist der Tag der Archive. Das wäre vielleicht ein Anlass.“
Langweilig wird es dem umtriebigen Heimatforscher derweil nicht so schnell. Er sammelt auch Lichtenauer Literatur, zum Beispiel die Werke des Dichters Oskar von Redwitz oder des kritischen Schriftstellers Wolf Klaußner. Auch neuere Schriften haben schon Eingang in seine Sammlung gefunden, so zum Beispiel die Übersetzung der Bibel ins Fränkische, herausgegeben von dem Lichtenauer Pfarrer Claus Ebeling.
Außerdem denkt Obenauf schon darüber nach, auch noch die Vereinsgeschichte seiner Heimatgemeinde aufzuarbeiten. Derzeit lösen sich mehr und mehr Vereine auf. „Es wäre wert, dass man auch für sie ein Archiv anlegt“, findet er. Dort könnten neben den Unterlagen beispielsweise auch Fahnen sachgerecht gelagert werden. „Die alten Fahnen zu hängen, ist vollkommen falsch“, weiß er. Wegen des Gewichts müssten sie liegen. Bei Dokumenten sei es wichtig, dass sie in säurefreien Kartons aufgehoben werden, um sie so gut wie möglich zu erhalten. „Das hat man früher alles nicht bedacht.“
Auch mit der Schulsituation in Immeldorf möchte sich der umtriebige Archivbeauftragte noch gern intensiver beschäftigen. Das alte Schulhaus stand neben der Kirche. Später wurde eine neue Schule gebaut, und schließlich besuchten die Immeldorfer die Lehranstalt in Wattenbach. „Manche Leute sind an drei verschiedenen Orten zur Schule gegangen.“
Sich zu engagieren, ist Gerhard Obenauf ungeheuer wichtig. Die Fähigkeiten, die er hat, bringt er gerne ein, auf diese Weise will er etwas zurückgeben. „Das ist so ein Deal zwischen der Gesellschaft und mir“, erklärt er. „Ich habe das Gefühl, ich bin noch zu etwas zu gebrauchen und kann etwas beitragen.“ Auch er selbst habe von der Dorfgemeinschaft schon viel Unterstützung erfahren. Dafür revanchierte er sich nicht nur mit seiner archivarischen Tätigkeit, sondern auch in einem Bereich, in dem er sich als früherer Lehrer ganz besonders gut auskennt: Er half Kindern und Jugendlichen bei den Hausaufgaben.
Für die Stadt Merkendorf überträgt Gerhard Obenauf Dokumente, die noch in deutscher Schrift verfasst sind, in die heute gebräuchliche lateinische Schrift. Es geht darin um das alte Mosthaus. „Die jetzige Generation kann es ja nicht mehr lesen“, bemerkt er.
Darüber hinaus stand Obenauf 29 Jahre lang als Vorsitzender an der Spitze des Obst- und Gartenbauvereins Immeldorf. Er half auch dabei, einen Dorfgemeinschaftsraum in der ehemaligen Schule einzurichten. Zusammen mit seinen Mitstreitern richtete er mehrere Räume her. Die sind zwar kein Ersatz für ein echtes Dorfgemeinschaftshaus – das sich die Immeldorfer schon lange wünschen – aber sie können doch manchmal für Zusammenkünfte genutzt werden.
Unter anderem trifft sich dort die „Immeldorfer Geschichtsrunde“. Einmal im Monat widmen sich Obenauf und andere Interessierte verschiedenen historischen Themen. „Das letzte Mal waren wir zwanzig“, betont er nicht ohne Stolz. Er selbst berichtet häufig, was er bei seiner Archivarbeit entdeckt hat. „Ich gestehe, ich kann das Lehrersein nur schwer lassen. Ich freue mich immer, wenn ich jemanden habe, der mir zuhört.“
Bei jeder Zusammenkunft steht ein anderes Thema im Mittelpunkt. Die Teilnehmer steuern ihre eigenen Erinnerungen bei – oder das, was sie aus Erzählungen wissen. Es geht zum Beispiel um die Schulzeit, die Entstehung des Kriegerdenkmals, archäologische Ausgrabungen im Industriegebiet oder den 30-jährigen Krieg. „1632 war für Franken ein ganz schwieriges Jahr“, stellt Obenauf fest. „Bei uns war es auch ganz tragisch, wir haben in Immeldorf über 206 Tote gehabt.“ Vorwiegend waren diese an der Pest verstorben, einige waren auch im Krieg gefallen. Im Geschichtskreis fragten sich die Teilnehmer, wo diese Toten begraben sind. Eine ältere Frau erinnerte sich, etwas darüber in der Schule gelernt zu haben. Die Pestgräber befänden sich dort, wo früher der Garten des Lehrers war. Auch für Gerhard Obenauf war diese Information neu. Er sieht die Geschichtsrunde als Chance, historisches Wissen zu bewahren.
Was die Sammlung im Rathaus betrifft, so wäre die nächste Stufe, das Archiv auch noch zu digitalisieren. „Das ist aber für mich nicht mehr machbar“, stellt Gerhard Obenauf nüchtern fest. Auch wenn er sich dem digitalen Zeitalter durchaus nicht verschließt. Viele Findlisten hat er bereits auf dem eigenen Laptop erstellt.
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