Schuldenpaket im Bundesrat – wie es danach weitergeht | FLZ.de

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Veröffentlicht am 21.03.2025 05:03

Schuldenpaket im Bundesrat – wie es danach weitergeht

Der Bundesrat ist die letzte große Hürde für das von Union und SPD angestoßene Schuldenpaket. (Archivbild) (Foto: Kay Nietfeld/dpa)
Der Bundesrat ist die letzte große Hürde für das von Union und SPD angestoßene Schuldenpaket. (Archivbild) (Foto: Kay Nietfeld/dpa)
Der Bundesrat ist die letzte große Hürde für das von Union und SPD angestoßene Schuldenpaket. (Archivbild) (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Das historische Paket mit Milliardenschulden für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz soll heute im Bundesrat die letzte große Hürde nehmen. Stimmen die Länder mit Zweidrittelmehrheit zu, ist es beschlossen. Das dürfte für Erleichterung beim voraussichtlich nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und den Koalitionsverhandlern von Union und SPD sorgen – denn diese Milliarden sollen die Grundlage für ihre schwarz-rote Bundesregierung bilden. 

Was soll geändert werden? 

Zur Abstimmung stehen Änderungen an drei Artikeln des Grundgesetzes. Damit kann Deutschland dann theoretisch unbegrenzt viel Geld in Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit investieren. Die Schuldenbremse gilt nur noch für einen Teil dieser Ausgaben, alles darüber hinaus kann beliebig durch Kredite finanziert werden.

Außerdem wird ein Sondertopf an der Schuldenbremse vorbei mit Krediten bis zu 500 Milliarden Euro gefüttert. Daraus soll die Instandsetzung der maroden Infrastruktur – also Brücken, Energienetze, Straßen oder Schulen – bezahlt werden. 100 Milliarden Euro sollen fest für Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft genutzt werden. 

Das Geld darf aber nur fließen, wenn im normalen Kernhaushalt eine angemessene Investitionsquote gilt. Damit soll verhindert werden, dass Union und SPD auf Umwegen Wahlgeschenke finanzieren. 

Kann noch was schiefgehen?

Im Bundesrat ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Das bedeutet, mindestens 46 der 69 Stimmen müssen Ja-Stimmen sein. Üblich ist, dass ein Bundesland nur mit Ja stimmt, wenn die dortige Regierungskoalition sich einig ist. Regierungen mit Beteiligung von BSW, Linken und FDP müssen sich deshalb wohl enthalten. Die entscheidenden sechs Stimmen für eine Mehrheit kommen wahrscheinlich aus Bayern, wo sich CSU und Freie Wähler Anfang der Woche auf eine Zustimmung einigten.

Die Länder profitieren von dem Paket auch deutlich: Nicht nur bekommen sie 100 der 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klimaschutz. Sie dürfen künftig zusammen Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen – bisher gilt für die Länder eine Schuldengrenze von null. 

Ab wann sind die Änderungen in Kraft?

Nach einer Zustimmung des Bundesrats fehlt nur noch die Ausfertigung des Gesetzes durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Das wird für die nächste Woche erwartet. 

Der Bundespräsident muss prüfen, ob die Grundgesetzänderung nach den Vorschriften der Verfassung zustande gekommen ist. Dem Vernehmen nach haben die Juristen im Bundespräsidialamt damit bereits begonnen. Dass das Bundesverfassungsgericht das Verfahren vor der Abstimmung im Bundestag für rechtens erklärt hat, dürfte es Steinmeier leichter machen, seine Unterschrift unter das Gesetz zu setzen.

In manchen Ländern muss für deren Lockerung der Schuldenbremse auch die Verfassung geändert werden – nur in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Thüringen und im Saarland steht keine Schuldenbremse in der Landesverfassung. 

Wie viele Schulden werden dann dieses Jahr aufgenommen?

Das steht noch nicht fest. In ihrem Haushaltsplan für 2025 hatte die Ampel-Regierung Verteidigungsausgaben von 53 Milliarden Euro eingeplant. Nach den neuen Regeln müssten nur rund 44 Milliarden davon auf die Schuldenbremse angerechnet werden, um die neun Milliarden könnten über Kredite finanziert werden. 

Die Lockerung für Ausgaben in den Bereichen Zivilschutz, Cyberabwehr, Nachrichtendienste und Hilfen für völkerrechtswidrig angegriffenen Staaten erhöht den Spielraum zusätzlich. Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) nennt in einer Berechnung, die dem „Handelsblatt“ vorliegt, weitere 13 Milliarden Euro. 

Dabei muss es nicht bleiben, denn grundgesetzlich gibt es nun keine Begrenzung der Ausgaben in diesen Bereichen mehr. So könnte die neue Bundesregierung entscheiden, auch das Bürgergeld für Geflüchtete aus der Ukraine über Kredite zu finanzieren. Oder den Verteidigungsetat deutlich aufzustocken. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte im November erklärt, die Bundeswehr brauche etwa 58 Milliarden Euro, um Fähigkeitslücken schnell zu schließen. 

Bedeutet das unbegrenzte Möglichkeiten?

Nein, aber begrenzender Faktor ist künftig wahrscheinlich weniger das Geld. Es wird mehr um die Kapazitäten der Industrie und im Fall des Infrastruktur-Sondertopfes um die Verfügbarkeit von Handwerkern und Rohstoffen sowie die Planungskapazität in Behörden gehen. Die Höhe der neuen Schulden wird also davon abhängen, was überhaupt so schnell beauftragt werden kann. 

Bei Verteidigungsausgaben gilt in der Regel das Prinzip: Bezahlt wird erst bei Lieferung – und so weit muss man ja erstmal kommen. 

Wer entscheidet, wofür wie viel Geld ausgegeben wird?

Pistorius betont, das liege nicht allein bei der Bundesregierung. Denn am Ende entscheidet das Parlament über den Haushaltsplan und damit auch über die Höhe der Verteidigungsausgaben. Für das Sondervermögen muss noch ein sogenannter Wirtschaftsplan aufgestellt werden, der regelt, welche Vorhaben finanziert werden. Ein Vorschlag kommt zwar von den zuständigen Ministerien, das letzte Wort hat aber auch hier der Bundestag. 

Um Details dürfte noch viel gerungen werden. Beispiel Klimaschutz: Manche Politiker und Bundesländer zählen Maßnahmen zur Klimaanpassung wie einen besseren Hochwasserschutz dazu. Andere argumentieren, so sorge man zwar gegen Folgen des Klimawandels vor, bekämpfe ihn aber nicht. 

Auch wie die neuen Schuldenmöglichkeiten der Länder zwischen den einzelnen Bundesländern verteilt werden, muss noch in einem weiteren Gesetz geregelt werden.

Wann werden die Schulden zurückgezahlt?

Auch das ist noch nicht geregelt. Für das Infrastruktur-Sondervermögen muss ein Tilgungsplan aufgestellt werden. Ob die durch Lockerung der Schuldenbremse mögliche Verteidigungs-Kredite jemals getilgt werden, ist ungewiss. Denn dass ein Staat verschuldet ist, ist zunächst nicht problematisch – vorausgesetzt er gilt als kreditwürdig. Relevant dafür ist vor allem die erwartete Wirtschaftsleistung, aber auch zum Beispiel eine stabile Demokratie. 

Betrachtet werden meist die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Da die Wirtschaft mit wenigen Ausnahmejahren in der langjährigen Betrachtung wächst, wird der Schuldenberg im Verhältnis immer kleiner. Schmerzhaft können allerdings jährlich anfallende Zinszahlungen werden. 

Welchen Einfluss hat das Paket auf die Koalitionsverhandlungen?

Wer glaubt, alle Geldprobleme einer neuen Bundesregierung seien gelöst, der irrt. Zwar werden die Milliarden dringend gebraucht, im Haushalt dürfte aber immer noch eine riesige Lücke klaffen. Denn CDU, CSU und SPD haben einige teure Vorhaben beschlossen wie die Ausweitung der Mütterrente, die Anhebung der Pendlerpauschale und eine Steuersenkung für die Gastronomie. 

Das Geld aus dem Infrastrukturtopf dürfen sie nur einsetzen, wenn gleichzeitig im normalen Haushalt angemessen investiert wird. Merz hat deshalb schon angekündigt, nun müsse an anderer Stelle gespart werden. Entsprechend zäh laufen gerade dem Vernehmen nach auch die Gespräche in vielen Gruppen, die am Koalitionsvertrag arbeiten.

© dpa-infocom, dpa:250321-930-410144/1


Von dpa
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