Streit in der Familie? Oder einfach keinen Draht mehr zueinander? Dann wollen Eltern vielleicht auch nicht, dass der Nachwuchs einmal ihr Vermögen erbt. Mit entsprechenden Regelungen in einem Testament oder Erbvertrag können Kinder zwar grundsätzlich enterbt werden. Nach dem Tod eines jeden Elternteils können die Sprösslinge aber trotzdem meist zumindest einen Teil des Erbes einfordern - den sogenannten Pflichtteil. Was es damit auf sich hat? Hier kommen die wichtigsten Fragen und deren Antworten.
„Der Pflichtteil beim Erben ist ein Erbersatzanspruch für besonders nahestehende Angehörige“, sagt Paul Grötsch, Fachanwalt für Erbrecht und Geschäftsführer des Deutschen Forums für Erbrecht. Hat eine Erblasserin oder ein Erblasser nahestehende Angehörige enterbt, können diese bei den Erben einen Pflichtteil einfordern. Der Pflichtteil umfasst dabei die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, die dem jeweiligen enterbten Angehörigen zustehen würde.
„Generell sind das nur die nächsten Angehörigen“, sagt Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht und Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge. Und zwar konkret der Ehemann oder die Ehefrau, sofern das Paar zum Zeitpunkt des Erbfalls noch miteinander verheiratet ist. Oder die Kinder des Erblassers oder der Erblasserin. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Kinder ehelich, nicht ehelich oder adoptiert sind. Hat der oder die Verstorbene keine Kinder, sind die Eltern pflichtteilsberechtigt. Keinen Pflichtteil erhalten Geschwister sowie Stief- und Schwiegerkinder.
„Der Pflichtteil ist generell ein Geldanspruch“, sagt Grötsch. Bedeutet: Pflichtteilsberechtigte können nicht etwa Anspruch auf bestimmte Gegenstände des Erbes wie Immobilien, Autos, Gemälde oder das Wertpapierdepot erheben.
Zur Berechnung des Pflichtteils werden die Werte all diese Gegenstände aber herangezogen und summiert. Das Ergebnis bildet die Bemessungsgrundlage für den Geldanspruch des Pflichtteils. Davon abzuziehen sind Bittler zufolge aber noch sämtliche Schulden des Erblassers und dessen Beerdigungskosten.
Wer enterbt ist und einen Pflichtteilsanspruch hat, muss ihn aktiv gegenüber dem oder den Erben einfordern. Ansprechpartner ist für Pflichtteilsberechtigte - anders als für Erben - also nicht das zuständige Nachlassgericht.
Pflichtteilsberechtigte haben das Recht, ein Verzeichnis über sämtliche Vermögensgegenstände der verstorbenen Person einzufordern. Zudem sind Erben verpflichtet – sofern Pflichtteilsberechtigte das wünschen –, mögliche Schenkungen, die die verstorbene Person in den vergangenen zehn Jahren vor ihrem Tod gemacht hat, aufzulisten.
Pflichtteilsberechtigte können sich die Angaben durch die Erben eidesstattlich versichern lassen – „aber nur dann, wenn es begründete Zweifel etwa an der Vollständigkeit der Angaben gibt“, sagt Erbrechtsexperte Grötsch.
Pflichtteilsberechtigte können auch verlangen, dass Sachverständige Nachlassgegenstände wie etwa Gemälde oder Schmuck bewerten. „Die Kosten hierfür werden aus dem Nachlass bezahlt“, sagt Grötsch.
Prinzipiell schon. Wollen Erblasser erreichen, dass Pflichtteilsberechtigte auf ihren Anspruch verzichten, können sie versuchen, noch zu Lebzeiten einen Pflichtteilsverzicht mit diesen zu vereinbaren. „Das geht allerdings in der Regel mit der Zahlung einer Abfindung an die pflichtteilsberechtigte Person einher“, sagt Bittler. Die Höhe dieser Abfindung ist frei wähl- und verhandelbar.
„Lässt der zukünftige Erblasser bezüglich seines Vermögens jedoch keine Transparenz walten und versucht er, durch Verschleierung seines tatsächlichen Vermögens den Abfindungsanspruch bewusst kleinzuhalten, kann dies gegebenenfalls zur Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichts führen“, so Bittler.
Der oder die Pflichtteilsberechtigte muss mit dem Verzicht einverstanden sein. Ist er oder sie das nicht, ist ein Pflichtteilsverzicht nicht möglich. Zudem erfolge ein Pflichtteilsverzicht grundsätzlich schriftlich und durch Beurkundung eines Notars, so Bittler. Mit dieser Erklärung vereinbart der künftige Erblasser mit dem Pflichtteilsberechtigten, dass dieser seinen Pflichtteilsanspruch beim Erbfall nicht geltend macht.
Ein Erblasser oder eine Erblasserin kann noch zu Lebzeiten Schenkungen an die Personen vornehmen, die ihm oder ihr wichtig sind. „Das Ziel von solchen Schenkungen ist mitunter, den Wert des Nachlasses zu reduzieren, damit Pflichtteilsberechtigte im Erbfall möglichst wenig bekommen“, sagt Grötsch.
Allerdings: Liegen Schenkungen weniger als zehn Jahre zurück, hat der Pflichtteilsberechtigte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben. In diesem Fall wird der Wert der Schenkung dem Nachlass hinzugerechnet. Für jedes Jahr, das zwischen Schenkung und Erbfall verstrichen ist, schmilzt er um ein Zehntel ab. Schenkungen, die beim Erbfall länger als zehn Jahre zurückliegen, spielen bei der Pflichtteilsberechnung darum keine Rolle mehr.
Zum Beispiel bei Schenkungen unter Eheleuten. „Die Zehnjahresfrist gilt ebenfalls nicht, wenn sich der oder die Schenkende Rechte an Schenkungsgegenständen wie Wohnrecht oder Nießbrauch vorbehält“, so Grötsch.
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