„Das Tolle an Mitteleschenbach ist, dass hier viele mit anpacken“, sagt Kerstin Seitz-Knechtlein. Die 48-Jährige ist gleich auf mehreren Feldern aktiv, von der katholischen Pfarrgemeinde bis zur Jugendarbeit, vom Gemeinderat über kulturelle Angebote bis zur Theatergruppe. Für ihr langjähriges Engagement zeichnet sie die Jury mit dem FLZ-Ehrenamtspreis für den Monat Februar aus.
Es war eine Woche, die alles veränderte. „Ich kam am Freitag von der Schule heim und wusste, das will ich machen.“ Sie hatte gerade am Johann-Sebastian-Bach-Gymnasium in Windsbach ihr Abitur abgelegt, mit Latein und Altgriechisch als Hauptfächern, und war gedanklich unterwegs zu einem Studium der Architektur. Doch kurz vor den Sommerferien war an ihrer alten Grundschule in Mitteleschenbach plötzlich akute Personalnot. Ein Lehrer musste eine Woche auf Fortbildung, keine Vertretung in Sicht. Wer sollte sich jetzt um die vierte Klasse kümmern?
Der Schulleiter hatte eine Idee. „Du kennst die Kinder. Du machst das“, sagte er zu der frischgebackenen Abiturientin. „Ich habe eine Woche lang seine vierte Klasse gemacht. Dabei habe ich gespürt, das ist mein Beruf.“
Vielleicht hatte der Schulleiter, der sie händeringend um die Vertretung bat, das schon vorher gewusst, denn es war ihr Vater Hans Seitz, ein beliebter Pädagoge, später Schulamtsdirektor für Stadt und Landkreis Ansbach. Seine Tochter legte die Architektur-Pläne beiseite und studierte in Eichstätt für das Grundschullehramt. „Danach hat vieles begonnen.“
Ihren späteren Mann Stefan Knechtlein kannte sie schon, auch er aus Mitteleschenbach, einer Gemeinde im südlichen Landkreis Ansbach unmittelbar an der Grenze zum Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen. Die angehende Pädagogin startete im Dorf ihr erstes Projekt in ihrer katholischen Pfarrgemeinde. „Es gab keine kirchliche Kinder- und Jugendarbeit. Ich habe einen Kindertreff begonnen.“
Längst etabliert war in Mitteleschenbach das alljährliche Krippenspiel. „Den Text können alle im ganzen Dorf.“ Naheliegend, dass die künftige Lehrerin die Regie übernahm. „Ich wollte damit Ideen vom Studium ausprobieren.“ Die Ideen und die Bereitschaft, etwas für das Miteinander zu tun, kamen an. Im Alter von 22 Jahren wurde Kerstin Seitz-Knechtlein in den katholischen Pfarrgemeinderat gewählt, dessen Leitung sie vier Jahre später übernahm. „Die kirchliche Arbeit ist die Heimat meines Herzens. Da kommt mein Ehrenamt her.“
Das Jahr 2012 wurde zum harten Test. Wegen einer schweren Krankheit des Pfarrers musste die Pfarrgemeinde ein Jahr ohne Geistlichen vor Ort überbrücken. Es gab kein Pfarrbüro und kein Sekretariat. Der große runde Tisch im Wohnzimmer der Vorsitzenden wurde zum organisatorischen Zentrum der Gemeinde. „Da entstand das Gemeindeblatt, da wurden die Gottesdienste geplant und unzählige Gespräche geführt.“
Als klar war, dass der bisherige Pfarrer nicht mehr zurückkehren würde, fuhr Kerstin Seitz-Knechtlein mehrfach an den Bischofssitz in Eichstätt. „Ich habe massiv um einen neuen Pfarrer gekämpft.“ Mit Erfolg. Es kam Michael Harrer, allerdings mit einer klaren Ankündigung vom Bistum. „Wir wussten, nach ihm werden wir keinen eigenen Pfarrer mehr kriegen.“
Der neue Pfarrer blieb zum Glück länger als gedacht. Erst im vergangenen Jahr wechselte Michael Harrer nach Eichstätt als Leiter des Pfarrverbandes Eichstätt, inzwischen ist er zum Domkapitular ernannt. „Es waren elf zauberhafte Jahre, in denen wir Sachen geschafft haben, die wir nie für möglich gehalten hätten. Heute haben wir ein grandioses Team und einen buntgemischten Pfarrgemeinderat“, sagt dessen Vorsitzende. „Wir sind am Puls der Zeit.“ Das langfristige Engagement teilt sie mit ihrem Mann Stefan, der mittlerweile auch in der Kirchenverwaltung ehrenamtlich tätig ist. „Es macht uns beiden einfach Spaß, weil das Team so gut ist“, sagt Stefan Knechtlein. „Das ist wirklich eine Freude.“
Der selbständige Schreiner war im Januar aktiv, um mit den 36 Ministranten einen Wagen für den traditionellen Umzug am Faschingssonntag zu bauen. Mit dabei war der neue Pfarrer Thomas Swat, der von Wolframs-Eschenbach aus nun Mitteleschenbach, Veitsaurach und Windsbach mitbetreut.
Am Tag danach gab es erstmals einen Rosenmontagsball der Pfarrgemeinde. „Das war ein voller Erfolg“, sagt Kerstin Seitz-Knechtlein. „Die jüngsten waren 20 und die ältesten zwischen 85 und 90. Das ist einfach schön.“
Vor allem, wenn man den Ort sieht, an dem bei der Premiere am Rosenmontag bis in die Puppen gefeiert wurde. Dort stand lange das alte Pfarrhaus. Es war marode, eine Sanierung hätte auch angesichts der fehlenden Perspektive künftiger Pfarrer keinen Sinn gemacht. „Wir haben umgedacht“, so die Vorsitzende des Pfarrgemeinderats. Statt des Pfarrhauses entstand ein neues Pfarrheim. „Das ist ein Schmuckkästchen, das jeden Tag mit Leben gefüllt ist.“
Das Gebäude ist ein Symbol für das enge Zusammenspiel von kirchlicher und politischer Gemeinde. Denn ins Untergeschoss kam ein kommunales Jugendzentrum, die Kosten wurden aufgeteilt. Bei Kerstin Seitz-Knechtlein laufen viele Fäden zusammen. Im Jahr 2014 hatte sie auf der CSU-Liste für den Gemeinderat kandidiert und auf Anhieb die drittmeisten Stimmen erhalten. Inzwischen ist sie zweite Bürgermeisterin. „Ich merke ganz viele Synergien, die ich aus meiner kirchlichen und aus meiner gemeindlichen Tätigkeit schöpfen kann. So kann ich echt viel bewegen.“
Ebenso wie in ihrem beruflichen Bereich. Nach Stationen in Spalt und Ehingen wechselte sie an die Grund- und Mittelschule Absberg-Haundorf, die sie seit neun Jahren leitet. Seitdem hat sich in der Schule auf der anderen Seite der Landkreisgrenze die Zahl der Schüler auf 320 Kinder und Jugendliche verdoppelt. Kerstin Seitz-Knechtlein sieht keinen entscheidenden Unterschied zwischen der Arbeit in der Grund- und Mittelschule. „Die Großen brauchen nichts anderes als die Kleinen. Sie brauchen einen Menschen, der vorne steht und bei dem sie das Gefühl haben, der respektiert mich, der mag mich, der gibt sein Bestes für mich, der nimmt mich ernst.“
Der Zeitaufwand für die Schulleiterin ist groß. Ihr war zusätzlich der Blick über den Tellerrand immer wichtig. Deshalb hat sie zehn Jahre lang Schulen in ganz Mittelfranken evaluiert, ihre Stärken und Schwächen eingeschätzt und ans Kultusministerium berichtet. „Aus jeder Schule habe ich etwas mitgenommen.“ Inzwischen nimmt sie auch Lehramtsprüfungen ab. Der zeitliche Druck für Schulleitungen wird aus ihrer Sicht stärker. Auch in den Ferien gibt es keine Pause im Mail-Postfach.
Ihr ehrenamtliches Engagement sieht sie als wertvollen Ausgleich. „Ich komme auf andere Gedanken und bin aus dem schulischen Kreislauf für ein paar Stunden raus. Das tut mir gut.“ Dazu gehört auch die Organisation des sommerlichen Ferienprogramms in der Gemeinde und die Theatergruppe, über die sie die Regie hat. „Im Herbst spielen wir wieder. Ich suche gerade ein Stück heraus.“
Das Theaterspielen hat in Mitteleschenbach eine jahrzehntelange Tradition. Früher gab es verschiedene Gruppen, heute konzentriert sich alles auf die Truppe der Pfarrgemeinde. Sie hat keinen Mangel an Akteuren, die alle zwei Jahre die Mönchswaldhalle füllen. Auch hier gilt für Kerstin Seitz-Knechtlein, was sie bei all ihren Tätigkeiten antreibt. „Es ist so ein unheimlicher Gemeinschaftsgeist. Das macht Spaß ohne Ende. Und ich merke, ich kann etwas bewegen für meinen Ort.“
In diesem Jahr will sie mit einem weiteren Projekt den entscheidenden Schritt vorankommen. Nach der Aufgabe des einzigen Supermarkts in Mitteleschenbach will sie einen Dorfladen realisieren. „Das habe ich der Bevölkerung versprochen: Ich gebe nicht auf, bis ein Dorfladen da ist.“
Für ihr Engagement wird die 48-Jährige bei der Aktion „Mein Ehrenamt” mit dem Preis für den Monat Februar ausgezeichnet. Sie kennen auch eine Person aus der Region, deren ehrenamtliches Engagement einen Preis verdient hätte? Dann schlagen Sie sie über unser Bewerbungsformular vor. Hier finden Sie alles zur Aktion.