Mehr als 50.000 Menschen haben ihn schon gesehen: den Heckel. Mehr als 50.000 Menschen haben also schon den Blick ins Taubertal auf die Doppelbrücke und die Kobolzeller Kirche durch die Augen des Künstlers Erich Heckel gesehen. Ein Blick, der das Team des Kriminalmuseums begeistert und für die Rothenburger erhalten werden soll.
Gezeigt wird das Aquarell mit dem Titel „Im Taubertal“ aus dem Jahr 1927, das eine Vorstudie für ein großes, nicht mehr existierendes Ölgemälde ist, derzeit bei der Sonderschau „Eine Begegnung mit Rothenburg – Kunst und Künstler zwischen 1810 und 1970“ in der Johanniterscheune des Museums. Weil die Schau so erfolgreich ist, wurde sie schon verlängert: bis zum Sonntag, 8. Januar. Dann endet nicht nur der Blick in verborgene und unbekannte Winkel der Stadt, dann endet auch eine Frist, die das Museum gesetzt bekommen hat.
Was für eine Frist, das ist schnell erklärt. Dazu muss man wissen: Dass die Verantwortlichen des Museums das Aquarell für die Ausstellung ausleihen durften, bezeichnen sie als Sensation. Nur durch Zufall und mit großem Durchhaltevermögen hat Kunsthistorikerin Anja Bergermann, die gemeinsam mit dem ehemaligen Direktor des Museums, Dr. Karl-Heinz Schneider, die Sonderschau zusammengestellt hat, das Werk gefunden.
Viele Telefonate – fast ein Jahr lang, oft ohne eindeutiges Ergebnis – waren dafür nötig. Nur zwei Wochen vor Eröffnung der Sonderschau endete die Suche erfolgreich. Anja Bergermann hatte das Aquarell gefunden. Ein Anruf von Dr. Markus Hirte, geschäftsführender Direktor des Museums, später und die Galerie, die das Werk besitzt, war bereit, es herzugeben.
Also tatsächlich: es zu verleihen. Doch dass das Heckel-Aquarell für immer in Rothenburg bleibt, das ist für Dr. Hirte und sein Team quasi ein Muss. Mit dem Eigentümer haben sie ausgehandelt, dass das Werk auf jeden Fall bis zum letzten Tag der Ausstellung in der Johanniterscheune bleiben darf – aber eigentlich soll es ja für immer sein.
Die Lösung? Das Werk kaufen. Das Problem? Das Geld. Ein Heckel kostet so viel, das kann das Kriminalmuseum nicht eben so mal selbst stemmen. Deshalb hofft das Team auf Hilfe. Gesammelt wurde schon seit Wochen, Monaten. Besucher und Besucherinnen der Ausstellung haben in eine kleine Schatztruhe, die in der Johanniterscheune aufgestellt ist, immer wieder Spenden eingeworfen. Auch Gruppen beteiligen sich; der Rotary Club ließ zum Beispiel gleich 300 Euro da. Einiges ist so schon zusammengekommen.
Doch 10.000 Euro fehlen aktuell noch, um den Traum von Dr. Hirte und Bergermann wahr werden zu lassen. Diese Summe muss das Team des Museums bis zum Ausstellungsende zusammenhaben, sonst verfällt die Kaufoption.
So weit will und wird es Dr. Hirte auf keinen Fall kommen lassen – und hofft auf die Rothenburger und auch die Menschen in der Umgebung, Unternehmen, vielleicht sogar Vereine, die mithelfen wollen, den Heckel für immer zurück in die Stadt zu holen. „Wir setzen alle Hebel in Bewegung, um die Finanzierung zu sichern“, so Dr. Hirte.
Das Besondere am Künstler: Er ist Mitbegründer der Künstlergemeinschaft „Die Brücke“. Einer wie er, „der hängt in der ganzen Welt“, wie Anja Bergermann erklärt. Zum Beispiel im Museum of Modern Art (MoMa) in New York, in Paris, einfach „überall“. Der Expressionist galt während des Nazi-Terrors als „entarteter Künstler“, viele seiner Werke wurden damals vernichtet.
1945 dann wurde beim Bombenangriff auf Berlin sein Atelier komplett zerstört, nach Ende des Zweiten Weltkrieges fielen seine in einem Bergwerk versteckten Werke zudem noch einem Brand zum Opfer. Eine Folge davon: Jedes Gemälde, das von Heckel noch existiert, ist umso wertvoller, wie Anja Bergermann betont. Dass Erich Heckel auch in Rothenburg gemalt hatte, das war ihr zufolge lange unbekannt gewesen und es habe auch nie wirklich ein Bild dazu gegeben.
Es ist daher für das Team des Kriminalmuseums ein kleines Wunder, dass jetzt das Aquarell fast 100 Jahre nach seiner Entstehung wieder an seinem Entstehungsort aufgetaucht ist und dort in der Johanniterscheune für alle zu sehen ist. Ein Wunder, das in der Stadt und in der Umgebung bemerkt wird. Mehr als 50 Führungen mit verschiedenen Gruppen, Clubs, Schulklassen, Vereinen wurden schon durchgeführt. Es sollen noch viele folgen.
Für das Team des Museums war es „ein langer Weg bis zu dieser Ausstellung“. Sie soll „eine Lücke der Rothenburger Kunstgeschichte füllen“. Ziel ist es, „nach der Theorie die Praxis folgen zu lassen und den Rothenburger Bürgern die Kunst und ihre Vielfalt anhand von Originalen näher zu bringen. So dass jeder erkennt und sieht wie vielfältig, lückenlos und qualitativ Rothenburg in der Kunst vertreten ist.“ Dies lasse sich zum einen „an vielen Stilen und Techniken“ festmachen, zum anderen aber auch an „großen und erfolgreichen Namen der Kunstszene“. Und hier reiht sich das 56 mal 68 Zentimeter große Aquarell von Erich Heckel als Höhepunkt ein.
Der Heckel soll bleiben – wer helfen möchte, die restlichen 10.000 Euro bis 8. Januar zusammenzubekommen, kann Geld in die Schatztruhe in der Johanniterscheune werfen oder überweisen – auf das Sparkassenkonto des Museums mit der IBAN-Nummer DE45 7655 0000 0007 0689 43 (Verwendungszweck „Heckel“). Wir halten Sie regelmäßig auf dem Laufenden, wie viel noch fehlt.