Mit Wüstensand in den Koffern kommt Johannes Matthias Roth am Autohof Herrieden an. Die Körner stammen aus Dubai. Seit zwei Jahren betreut er als Auslandspfarrer die Vereinigten Arabischen Emirate für die Evangelische Kirche Deutschland. In Europa ist er als Liedermacher unterwegs, war Vikar in Thann, Pfarrer in Ansbach.
Roth ist auf der Durchreise Richtung Gunzenhausen, wo er seine Eltern besucht. Geboren ist er 1967 in Weißenburg als Sohn einer Pfarrerfamilie. „Kein verknöcherter Pfarrer, sondern ein sympathischer Theologe“, sei sein Vater, was ihn auch zum gleichen Studium animiert habe. „Musik hat immer eine Rolle gespielt.“ Als Kind war Johannes im Posaunenchor, lernte Flöte und Klavier. Begonnen in Erlangen, führte ihn die Theologie bis nach Neuguinea, zu seiner Schwester, die mit einem Missionar verheiratet ist. „Da hab ich dann richtig Dschungel erlebt.“
Roth packt während des Gesprächs einige Sachen aus dem Auto, klopft den Sand von seiner Handpan – einem Instrument aus zwei Stahlblechschalen. Mit seinen Händen entlockt der 55-Jährige ihr sogleich verträumte, meditative Klänge. Ein junges Paar setzt sich dazu, lauscht Roths Musik und Ausführungen. „Sowas passiert mir überall“, meint Roth lächelnd. Die Zuhörer sind auf dem Weg Richtung Berlin zu einem Festival, erzählen sie.
„Gott ist in der Musik, nicht nur in der Kirche“, sagt Roth mit ruhiger Stimme. Über tausend Konzerte hat er in aller Welt gegeben, rund 300 Lieder komponiert, seine 13. CD wird gerade fertig. In Thann, einem Ortsteil der Gemeinde Bechhofen war er bis 1997 Vikar, widmete der örtlichen Kirchweih ein eigenes Lied: „Als Pfarrer muss ich dort sein, wo die Menschen sind, wo das Leben ist.“ In Ansbach war er dann drei Jahre Pfarrer in St. Gumbertus, setzte unorthodoxere Impulse für das Gemeindeleben, traf sich zum Picknick im Hofgarten, schmiss „X-Mas-Partys“ oder begann die Reihe der Abendandachten am Bismarckturm.
Er unterrichtete Religion an Grund- und Mittel-, Waldorf- und Montessorischulen oder Gymnasien wie dem Ansbacher Theresiengymnasium. Sein Lebensmittelpunkt ist eigentlich Mittelfranken, wo auch seine zwei Söhne und seine Tochter leben. Zuhause ist Roth aber überall. Besonders angetan hat es ihm die Autobahnkirche „Licht auf unserem Weg“ Geiselwind, dem ersten privaten ökumenischen Gotteshaus an einem Autohof. „Das ist sehr mutig, trägt den Glauben zu den Menschen.“
Am Sonntag geht es zurück in den 42. Stock eines Wolkenkratzers in Dubais Stadtteil Marina. Dort wohnt er nahe des größten Riesenrads der Welt, die berühmte Insel in Palmenform „Palm Jumeirah“ liegt um die Ecke. „Das ist schon ein Extrem.“ Eigentlich wollte er nie nach Dubai, erklärt er, „der Kommerz, die Klimaaspekte“. Nach einigen Stopps auf der Durchreise habe er sich an die Stadt gewöhnt und die Stelle angenommen. Er sei ein Mensch mit Ideen, viele seiner Lieder handeln von der Wüste, vom Schöpfen.
Seit 13 Jahren gibt es die Gemeinde. Im Kern gehören ihr etwa 150 Menschen an, tausende Deutsche, Österreicher und Schweizer seien aber immer wieder zeitweise im Wüstenstaat. Vor allem Geschäftsleute der großen Firmen, erzählt er. „Beim Spargelessen sitze ich schonmal neben Chefs von Porsche, Audi, SAP.“ Roth gibt sich konsumkritisch, sein Markenshirt ist nicht echt. Die Menschen in Dubai habe er ins Herz geschlossen: „Manche von ihnen sponsern ein halbes Dorf in Indien.“
Roth lud in der Gemeinde zu dem Hedgefonds-Stammtisch eines Bekannten ein. „Da drohte mir ein anderer gleich mit Kirchenaustritt.“ Doch nachher habe er 1000 Euro für Kenia bekommen, wer viel verdient gebe manchmal auch viel. Roth wirbt für Patenschaften für Kinder in Kenia, war selbst 15 mal in Afrika. „Teils in den heftigsten Slums, in die kein Weißer reingeht, dank guter Begleiter konnte ich das.“
Für die deutschsprachigen Christen in den Emiraten ist er quasi allein zuständig, organisiert Hochzeiten, Konfirmationen oder Gottesdienste in der Wüste. Eine eigene Kirche haben sie nicht, mieten sich bei den Anglikanern in der Stadt ein. Das Weihnachtsfest feierte er zum Beispiel fünf mal nacheinander auf einem Boot, da nur jeweils 50 Passagiere erlaubt waren. Dort sangen sie „O Du Fröhliche“ inmitten einer von der Wirtschaft und dem Islam geprägten Stadt. „Wir sind eine Outdoor-Gemeinde“, erklärt Roth. Mit Jeeps fahren sie zu Oasen, sitzen an Lagerfeuern im Sand.
Es sei nicht so einfach möglich, Land zu bekommen und Häuser für die Gemeinde zu bauen. Die örtlichen Behörden seien mit der Zeit strenger geworden. „Sie schauen schon regelmäßig, wo wir sind, was wir machen.“ Eine große Rolle spiele die Sozialarbeit, er besucht „seine Leute“ im Gefängnis, organisiert Geld für Operationen. Während des Gesprächs kriegt er eine Nachricht, jemand aus der Gemeinde hat Probleme mit der Polizei.
Am Lagerfeuer kommen neben den evangelischen Mitgliedern auch Katholiken und Muslime zusammen, lauschen Andachten, knüpfen Kontakte. „Das ist unglaublich wertvoll, ich lerne viel.“ Die Ökumene liegt Roth am Herzen. Mehrmals war er bei Papst Franziskus, etwa 2014 als er mit dem Lied „Ich bin frei“ den Songwettbewerb der Romwallfahrt der Ministranten gewann. „Ein Lied, das zutiefst lutherisch ist, ganz Rom hats’ gesungen.“ Für ein Jahr ist er noch in Dubai, danach will er zurück, freut sich auf die Menschen in der Heimat.