Deutschland steht vor einem Machtwechsel: Bei der Bundestagswahl sind CDU und CSU mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz klar stärkste Kraft geworden. Auf Platz zwei kommt nach den Prognosen von ARD und ZDF die AfD. Dahinter liegt die SPD, gefolgt von den Grünen. Die Linke schafft den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde und ist erneut im Bundestag vertreten. FDP und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) müssen dagegen um den Einzug ins Parlament bangen.
Nach den Prognosen von 18.00 Uhr verbessern sich CDU und CSU auf 28,5 bis 29,0 Prozent (Wahl 2021: 24,1 Prozent). Die AfD kann ihr Ergebnis quasi verdoppeln auf 19,5 bis 20,0 Prozent (2021: 10,4 Prozent). Die SPD von Kanzler Olaf Scholz stürzt dramatisch ab auf ihr schlechtestes Bundestagswahlergebnis seit 1949 und landet bei 16,0 bis 16,5 Prozent (25,7). Die Grünen mit Kanzlerkandidat Robert Habeck bleiben dagegen in etwa stabil bei 12,0 bis 13,5 Prozent (14,7). Die Linke steigert sich deutlich auf 8,5 bis 9,0 Prozent (4,9). Die FDP halbiert ihr Ergebnis und liegt bei 4,9 bis 5,0 Prozent (11,4). Das BSW, eine Abspaltung der Linken, kommt bei seiner ersten Bundestagswahl auf 4,7 bis 5,0 Prozent.
Merz hat beste Chancen Kanzler zu werden, braucht für eine Regierungsbildung aber Partner. Ein Zusammengehen mit der in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften AfD hat der CDU-Chef ausgeschlossen. Wenn neben der Linken auch FDP und BSW im Bundestag sitzen, muss Merz sich zwei Koalitionspartner suchen. Doch Dreierkoalitionen sind kompliziert, siehe die gescheiterte Ampel.
Denkbar wäre eine Koalition der Union mit SPD und FDP. Eine Alternative wäre ein Bündnis von Union, SPD und Grünen – allerdings hatte die CSU eine Koalition mit den Grünen vor der Wahl vehement abgelehnt.
Die Wahlbeteiligung lag mit 83 bis 84 Prozent höher als 2021 (76,4). Zur Stimmabgabe aufgerufen waren 59,2 Millionen Menschen, davon gut 42 Prozent 60 Jahre oder älter.
Der neue Bundestag wird wegen einer Reform deutlich schlanker sein. Die Zahl der Abgeordneten wurde auf 630 begrenzt – mehr als 100 weniger als aktuell. Dafür fallen die sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate weg, die bisher das Parlament oft stark aufgebläht haben. Nun kommen mit Erststimme gewählte Kandidaten nur noch in den Bundestag, wenn ihre Partei auch genügend Zweitstimmen hat.
Die Wahl wurde um sieben Monate vorgezogen – das gab es bisher nur 1972, 1983 und 2005. Grund ist, dass die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im November zerbrochen war. Scholz schlug nach dem Nein des Bundestags zu seiner Vertrauensfrage die Auflösung des Parlaments vor – was Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dann anordnete.
Der kurze Winterwahlkampf war zuletzt geprägt von der Debatte über eine Begrenzung der Migration. Konkreter Auslöser war die Messerattacke von Aschaffenburg, wo ein Afghane, der als Flüchtling kam, einen zweijährigen Jungen und einen 41-jährigen Mann erstochen hatte. Merz hatte daraufhin gefordert, dass auch Asylbewerber an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden – was aus Sicht von Grünen und SPD gegen Europarecht verstoßen würde. Scharfe Kritik hatte Merz auf sich gezogen, nachdem die Union im Bundestag einen Antrag zur Migrationspolitik mit Stimmen der AfD durchgesetzt hatte.
Zweites Thema im Wahlkampf war die schwächelnde Wirtschaft. Merz hat Steuersenkungen und radikale Änderungen beim Bürgergeld angekündigt. So sollen diejenigen, die nicht arbeiten, aber arbeiten können, kein Bürgergeld mehr bekommen. Die SPD will über eine Reform der Schuldenbremse staatliche Investitionen erleichtern. Außerdem soll der Staat mit einem „Made in Germany“-Bonus Unternehmen bei Investitionen in Maschinen oder Fahrzeuge zehn Prozent der Kosten abnehmen.
Empörung löste die Einmischung der neuen US-Regierung in den Wahlkampf aus. Vizepräsident J.D. Vance hatte erklärt, es gebe keinen Platz für politische Brandmauern. Er nahm dabei indirekt Bezug auf die deutsche Debatte über eine Abgrenzung der Union von der AfD. Sowohl Merz als auch Scholz verbaten sich die Einmischung. US-Milliardär Elon Musk, ein wichtiger Berater von Präsident Donald Trump, hatte zudem mehrfach für die AfD geworben.
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