Bedürftige Schüler und Studenten bekommen ab dem neuen Schuljahr und dem kommenden Wintersemester mehr Bafög. Der Bundestag hat mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP eine entsprechende Reform der Ampel-Koalition verabschiedet. Union, Linke und Bündnis Sahra Wagenknecht stimmten dagegen, die AfD enthielt sich. Studienanfänger aus ärmeren Haushalten sollen der Reform zufolge künftig zudem mit einer sogenannten Studienstarthilfe in Höhe von 1000 Euro unterstützt werden.
Die Ampel-Koalition hatte nach viel Kritik von Sozialverbänden und Studierendenvertretern ihre Bafög-Reform noch einmal geändert und eine Erhöhung der Sätze ergänzt, die im Gesetzentwurf von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) zunächst nicht vorgesehen waren. Die aktuelle Erhöhung wird von Kritikern mit Blick auf hohe Mieten für WG-Zimmer und gestiegene Lebenshaltungskosten dennoch als zu niedrig kritisiert. Die Pläne im Einzelnen:
Der sogenannte Grundbedarf für Studierende soll zum Wintersemester von 452 auf 475 steigen, die Wohnpauschale für diejenigen, die nicht mehr bei den Eltern wohnen, von 360 auf 380 Euro. Zusammengerechnet gibt es also eine Anhebung von 812 auf 855 Euro. Ältere Studierende, die ihre Krankenversicherung selbst zahlen müssen, weil sie nicht mehr über die Eltern mitversichert sind, können außerdem aktuell einen Zuschlag von 122 Euro bekommen, der Höchstsatz liegt damit heute bei 934 Euro. Dieser Zuschlag soll ebenfalls steigen, sodass der Höchstsatz künftig bei 992 Euro liegt.
Mit der Reform werden auch die Bafög-Sätze für Schüler angehoben. Für sie soll die Erhöhung bereits ab 1. August zum Beginn des neuen Schuljahres greifen. Nach dem Bundestag muss sich der Bundesrat noch mit der Bafög-Reform befassen, das Vorhaben braucht aber nicht die Zustimmung der Länderkammer. Das Bafög war zuletzt zum Wintersemester 2022/23 um 5,75 Prozent erhöht worden.
Da Vermögen, eigenes Einkommen, Einkommen der Eltern und möglicher Ehepartner angerechnet werden, ist die eigentliche Bafög-Höhe immer individuell. Hier setzt der nächste Punkt der Reform an: Eine Anhebung der Freibeträge, die bei der Anrechnung gelten. Sie sollen um 5,25 Prozent steigen, um den Kreis der Bafög-Empfänger zu vergrößern. Höhere Freibeträge bedeuten, Eltern und Bafög-Empfänger dürfen künftig mehr verdienen und fallen trotzdem nicht gleich aus der Bafög-Förderung heraus. Hintergrund: In der Vergangenheit war die Zahl der Empfänger deutlich gesunken. 2022 bezogen laut Statistischem Bundesamt 630.000 Personen Bafög-Leistungen, zehn Jahre zuvor waren es noch 979.000.
1000 Euro sollen Studienanfänger ab dem kommenden Wintersemester bekommen, die unter 25 Jahre alt sind und Bürgergeld beziehen oder in Familien leben, die durch andere staatliche Leistungen wie den Kinderzuschlag oder Wohngeld ihr Einkommen aufbessern müssen. Das Bundesbildungsministerium rechnet in seinem Gesetzentwurf grob mit etwa 15.000 Anträgen auf diese Studienstarthilfe. Im vergangenen Jahr wurden an deutschen Hochschulen knapp 480.000 Erstsemester gezählt. Die Antragstellung wird voraussichtlich über das Portal „Bafög Digital“ möglich sein, wo auch Bafög online beantragt werden kann. Das Hochladen eines Nachweises über den Bezug der genannten Sozialleistungen und einer Kopie der Immatrikulationsbescheinigung sollen ausreichen. Die 1000 Euro Starthilfe müssen nicht zurückgezahlt werden und werden bei anderen Leistungen nicht als Einkommen angerechnet, auch nicht beim Bafög.
Die Bafög-Reform sieht außerdem die Einführung eines sogenannten Flexibilitätssemesters vor. Wenn zum Ende des Studiums die Zeit knapp wird und die Abschlussarbeit drückt, soll Betroffenen die Bafög-Förderung ein halbes Jahr länger gewährt werden dürfen, auch wenn das Ende der Regelstudienzeit schon erreicht ist. Einfacher soll es zudem werden, das Studienfach zu wechseln, ohne den Bafög-Anspruch zu gefährden. Nicht umgesetzt wird der ursprüngliche Plan, die Mindestraten bei der Bafög-Rückzahlung von 130 auf 150 Euro im Monat zu erhöhen. Es bleibt also dabei, dass maximal 10.010 Euro Schulden getilgt werden müssen, denn nach 77 abgezahlten Raten wird in der Regel der Rest erlassen.
Das Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) wurde seit seiner Einführung 1971 immer wieder reformiert - umgangssprachlich steht der Name des Gesetzes inzwischen für die eigentliche Geldleistung. Aus dem anfangs reinen Zuschuss ohne Rückzahlung wurde später zunächst ein Volldarlehen. Seit 1990 gilt die Regel: Eine Hälfte gibt's geschenkt, die andere muss zurückgezahlt werden.
In der Debatte im Bundestag kritisierten Redner der Opposition die Bafög-Erhöhungen mit Blick auf deutlich gestiegene Lebenshaltungskosten als zu niedrig. „Den Bürgergeldempfängern geben sie zwölf Prozent mehr und das sind Ihnen nicht die Studenten wert“, sagte die CSU-Politikerin Daniela Ludwig Richtung Ampel-Parteien. Politiker der Koalition verteidigten die Reform und verwiesen darauf, dass das Bafög in der laufenden Legislaturperiode bereits erhöht wurde und in weiteren Bereichen reformiert wurde. „Wir kümmern uns um das Bafög, wie keine Koalition davor“, sagte der Vorsitzende des Bundestagsbildungsausschusses Kai Gehring (Grüne). Alles zusammengenommen, sei das die größte Bafög-Reform seit über 20 Jahren, sagte der SPD-Bildungspolitiker Oliver Kaczmarek.
Kritisch äußerte sich das Deutsche Studierendenwerk (DSW). „Schade, es wäre mehr möglich gewesen“, sagte der DSW-Vorsitzende Matthias Anbuhl. Er sprach von punktuellen Verbesserungen, die in die richtige Richtung gingen. Insgesamt bliebe die Reform aber hinter einer echten Strukturreform zurück.
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