Wer genießt ihn nicht, den Moment, wenn ein Stück feiner Schokolade auf der Zunge zergeht? Gerade in der Weihnachtszeit gönnen wir uns diese Freude gern.
Die Franzosen wissen, wie man feine Schokoladen herstellt, feine Pralinen kommen aus Belgien. Aber auch die Schweiz hat bekanntermaßen ein besonderes Verhältnis zu diesem Genuss.
Auf die Spuren der langen eidgenössischen Schokoladentradition kann man sich zum Beispiel in Basel und Luzern begeben - ein doppelter Ortsbesuch.
Der Morgen ist noch kühl, als sich eine Gruppe von Schokoladenliebhabern am Münsterplatz in Basel versammelt. Stephy, die die Schoko-Stadttour führt, verteilt zur Einstimmung Basler Läckerli, eine Lebkuchenspezialität der Stadt. Selbstverständlich mit Schoko-Überzug.
Wir laufen los. Am Rheinufer holt Stephy noch mehr aus ihrem Rucksack, darunter die neueste Erfindung - Kakaofruchtsaft - und natürlich Schokolade. Weiße, hellbraune und dunkelbraune. Bestehend aus Kakaomasse, Kakaobutter, Zucker, Milch - und den Aromen, die Schokolade so in sich hat. „Es ist das Bittre, das Saure, das Süße, was man in Schokolade findet.“
Ein Moment der Erwartung liegt in der Luft, bevor jeder sein erstes Stückchen in den Mund steckt. Es schmilzt sofort - und das hat viel mit schweizer Erfindergeist zu tun, wie wir lernen werden.
Wir schlendern durch die Altstadt. Stephy erzählt, dass Kakao im 18. Jahrhundert in Apotheken verkauft wurde. „Es war ein sehr bitteres Heilgetränk, dass man allenfalls mit Kräutern mischte.“
Als der Kakao nach Europa kam, veränderte er sich schnell - durch den Zucker, aber auch die Industrialisierung und schweizer Tüftler.
Die erste Schokoladentafel entstand 1847 in England. Der britische Chocolatier Joseph Fry entwickelte eine Methode, Kakaopulver, Zucker und Kakaobutter für eine formbare Schokolade zu mischen. Die ersten essbaren Schokoladen waren allerdings noch recht bröckelig und schwer zu kauen.
Auch die Schweizer entdeckten im 19. Jahrhundert die Produktion von Schokolade. 1819 eröffnete François-Louis Cailler am Genfersee eine der ersten mechanisierten Schokoladenfabriken. Cailler (heute Nestlé) ist die älteste noch existierende Schokoladenmarke der Schweiz.
Die Revolution aber kam mit Daniel Peter, mehr als 50 Jahre später: 1875 entwickelte der Schwiegersohn Caillers die erste massentaugliche Milchschokolade.
Nach anfänglichen Versuchen mit Milchpulver gelang ihm eine Mischung aus Kakaobutter, Kakaomasse, Zucker und kondensierter Kuhmilch. „Er war es auch, der seine Schokolade als erster den Touristen anbot“, sagt Stephy. Zwar gab es in Dresden schon vorher Milchschokolade. Allerdings aus Eselsmilch und noch recht grobkörnig.
Nächster Schritt zur Perfektion war das sogenannte Conchieren. Erfinder des Verfahrens war 1879 der Berner Rudolf (später: Rodolphe) Lindt. Er erhitzte Kakaomasse auf bis zu 90 Grad, anschließend wurde sehr lange gerührt. Das Ergebnis: zart schmelzende Schokolade, feinere Aromen. So wie wir gute Schokolade heute schätzen.
Das Trüppchen von Schoko-Fans geht ins „Xocolatl“, einen Schokoladenladen in der Baseler Marktgasse, benannt nach einem Vorläufer der heißen Trinkschokolade in Südamerika.
Probiert wird ein Trunk mit 66-prozentigem Criollo-Kakao aus Bolivien, der Aromen von Blütenhonig, Aprikose, Jasmin-Tee, Karamell und Mandeln entwickeln soll. Wohltuend ist die Trinkschokolade bei der Kälte da draußen auf jeden Fall.
Auf der Tour mit Stephy erfährt man, wie vielfältig die Confiserien in Basel sind, und wie gesellig. Seit Jahrzehnten sind sie beliebter Treffpunkt für Einheimische wie Touristen gleichermaßen.
Da ist die „Confiserie Schiesser“ am Marktplatz. Seit über 150 Jahren werden im Haus Schokoladen, Torten und Gebäck hergestellt. Die „Confiserie Brändli“ in der Gerbergasse wiederum präsentiert Nougatplättli und Truffes, die Schweizer Trüffel-Pralinen. Auch die Familienbetriebe Beschle und Bachmann produzieren ihre Schokoladen in Basel.
Die Bedeutung Basels auch in Sachen Rohstoffversorgung ist groß. Basler Missionare hatten einst die Idee, die aus Südamerika stammende Kakaopflanze in Ghana zu züchten. Die Ghanaer halfen dabei, dass Kakao in ihrem Land heimisch wurde.
Aus der Mission entwickelte sich später die Basler Handelsgesellschaft und mit ihr der Import von westafrikanischem Kakao in die Schweiz. Noch immer kommen in Basel die Kakaobohnensäcke per Schiff an.
Zum Beispiel die von Felchlin, einem Spezialisten für Edelkuvertüren. In der Schokoladenfabrik in der Gemeinde Schwyz, rund 35 Kilometer von Luzern entfernt, werden Bohnen aus Südamerika, Ghana und Madagaskar zu einer mattglänzenden, zähflüssigen Masse weiterverarbeitet. Viele Confiserien arbeiten mit der Rohmasse der Max Felchlin AG.
Wir wollen probieren, was aus der Kuvertüre entsteht, und fahren zu „Max Chocolatier“ in Luzern. Im Hintergrund Jazzmusik, vor uns der gedeckte Tisch mit Blümchenporzellan, Kerzen.
Wie so häufig beginnt die Verkostung mit einem Stück Schokolade mit niedrigem Kakaoanteil. Weiße Schokolade mit Pfeffer. Sehr süß auf der Zunge, leicht scharf im Abgang.
Es folgen ein Stück Milchschokolade mit Balsamico, die an Lebkuchen und Spekulatius erinnert. Eine fruchtige Truffe mit Sanddorn und zum Neutralisieren ein dunkles Schokoladenstück ohne Zucker.
Ein kurzweiliges Erlebnis, das den Gaumen in Stimmung bringt und noch einmal deutlich macht, was Schweizer Schokolade ausmacht.
Anreise: Mit dem ICE von verschiedenen deutschen Städten nach Basel. In der Schweiz können Touristen mit dem Swiss Travel Pass unbegrenzt per Bahn, Bus und Schiff fahren.
Erleben: Die beschriebene Schokotour durch Basel dauert rund drei Stunden und kostet 95 Franken (ca. 100 Euro) pro Person, buchbar über www.xocotour.ch, auch Schoko-Touren in Zürich organisiert das Unternehmen. Einige Confiserien bieten Schokoladenworkshops an.
Das Schokoladen-Tasting mit Workshop bei „Max Chocolatier“ in Luzern dauert zwei Stunden und kostet umgerechnet rund 160 Euro. Im Verkehrshaus ist die Erlebniswelt „Chocolate Adventure“ untergebracht, meistbesuchtes Museum der Schweiz, in dem man Wissenswertes über Entdeckung, Herkunft, Herstellung und Transport von Schokolade erfährt.
In Kilchberg bei Zürich ist für Fans „Lindt - Home of Chocolate“ mit großem Schokoladenbrunnen interessant, eigenen Angaben zufolge größtes Schokoladenmuseum der Schweiz. Auch Cailler in Broc (Kanton Freiburg) betreibt ein Schoko-Museum. In Courtelary (Kanton Bern) kann Camille Bloch, bekannt für den ersten Schweizer Schokoriegel „Ragusa“, von Interessierten besucht werden.
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