Der wachsende Stau von Schiffen vor dem Panamakanal hat aus Sicht maritimer Experten kaum Folgen für den Schiffsverkehr mit Deutschland und Europa - und kann vor allem nicht zu neuen Störungen in den Lieferketten führen, wie sie während etlicher Hafen-Lockdowns in der Pandemie oder wegen der Havarie der „Ever Given“ im Suezkanal entstanden.
„Insgesamt dürften die negativen Folgen für den globalen Handel überschaubar sein. Lieferketten haben sich seit der Krise vor etwa zwei Jahren deutlich erholt“, sagte der Ökonom Vincent Stamer vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) der dpa. „Und der Kanal ist trotz Einschränkungen noch befahrbar - scheinbar für die wichtigen Containerschiffe auch ohne große Verzögerungen“, sagte Stamer. Die Mehrzahl der Schiffe, die den Kanal passieren, sind allerdings Tanker und Massengutfrachter.
Der Wissenschaftler weist darauf hin, dass der Panamakanal im Vergleich zum Suezkanal für Deutschland eine recht geringe Rolle spiele. „Während etwa 10 Prozent des deutschen Außenhandels den Suezkanal passieren, dürfte dieser Wert für den Panamakanal eher bei 3 Prozent liegen. Für Europa spielt die nicht betroffene Route über den Atlantik an die US-Ostküste ebenfalls eine wichtigere Rolle als Handelsverbindungen durch den Panamakanal.“
Auch der Verband Deutscher Reeder (VDR) spricht von einer geringen Rolle des Kanals für die hiesigen Verbraucher, „da die für Europa bestimmten Mengen ihren Weg aus Asien über den Suezkanal finden oder über das Kap der Guten Hoffnung gehen“. Hauptgeschäftsführer Martin Kröger betont zudem, dass die aktuelle Lage im Panamakanal völlig anders sei als während der Covid-19-Pandemie oder der kurzzeitigen Blockade des Suezkanals 2021.
„Damals waren Transportkapazitäten extrem knapp, da viele Schiffe aufgrund der strengen Vorgaben vor allem in den chinesischen Häfen nur mit erheblicher Verzögerung be- und entladen werden konnten“, sagte Kröger. „Ferner sorgten weitere Covid-19-bedingte Einschränkungen für Verzögerungen bei der Produktion von Gütern und deren Transport ins Hinterland.“ Inzwischen seien wieder mehr Schiffe und auch Container verfügbar. „Selbst wenn es noch weitere Beschränkungen im Panamakanal geben sollte, können die Reedereien dies einplanen und adäquat reagieren.“
Wirklich bedeutend ist der Kanal laut Stamer für Verbindungen der US-Ostküste mit dem pazifischen Raum. „Betroffen dürfte die Mineralöl- und Chemieindustrie der USA in den Bundesstaaten Texas und Louisiana sein“, so der Ökonom. „Denn etwa 70 der aufgehaltenen Frachtschiffe sind Flüssiggas-, Chemie- oder Ölproduktetanker. Diese Tanker transportieren die Chemikalien und Brennstoffe weiter nach Ostasien und an die Westküsten der amerikanischen Kontinente.“
Auf beiden Seiten des Panamakanals haben sich zuletzt (Stand Mittwoch) 128 Frachter gestaut, das sind rund 40 Prozent mehr als in normalen Zeiten. Der Grund dafür ist die Beschränkung der Schiffspassagen infolge der anhaltenden Dürre. Die Wartezeit beträgt laut Kanal-Behörde neun bis elf Tage, wobei Containerschiffe bevorzugt durchgelassen werden.
In den vergangenen Monaten ließen weniger Regen und höhere Temperaturen den Wasserstand im künstlichen Gatún-See im Panamakanal sinken, was Auswirkungen auf den Betrieb hat. Zuletzt war die tägliche Zahl von Schiffspassagen von 38 auf 32 gedrosselt worden. Auch der maximale Tiefgang, mit dem Schiffe den Kanal passieren dürfen, war gesenkt worden.
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