Die Verkehrsminister der Länder wollen bis zur nächsten Bundestagswahl die Grundlage für ein milliardenschweres Sondervermögen für die vielerorts maroden Straßen, Brücken und Schienen schaffen. Dafür wollen sie unverzüglich eine länderoffene Kommission einsetzen, die das Konzept für einen rechtssicheren Infrastrukturfonds ausarbeiten soll. Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) sprach von einer „Multimilliardensumme“. Notwendig sei ein Neustart der Infrastrukturfinanzierung.
„Wir wollen mit dem Fonds auf die Infrastrukturkrise in Deutschland reagieren, die wir täglich mit maroden Brücken und einem nicht zuverlässigen Schienensystem sehen“, sagte Krischer als aktueller Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz. Zwar habe Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) im Frühjahr einen Vorschlag für einen Infrastrukturfonds gemacht. Seitdem sei aber nichts mehr passiert. Daher nehme die Verkehrsministerkonferenz nun den Prozess selbst in die Hand. Spätestens in der kommenden Wahlperiode müsse der Fonds umgesetzt werden, sagte Krischer. „Keine Bundesregierung wird um einen Infrastrukturfonds mehr herumkommen.“
Gemeinsames Ziel müsse es sein, den politischen Entscheidungsträgern in der kommenden Legislaturperiode „ein ausgewogenes und zukunftsfestes Fondsmodell zur Beschlussfassung vorlegen zu können“, heißt es in dem einstimmigen und parteiübergreifenden Beschluss der Verkehrsminister. „Ohne einen wirksamen Strategiewechsel sind weitere Verschlechterungen zu erwarten, Schadensereignisse werden realistischer.“
Wissing, der nicht an der Konferenz der Länderminister in Duisburg teilnahm, sagte in der ARD, jede staatliche Ebene müsse für die Finanzierung ihrer Infrastruktur selbst sorgen. „Die Länder für die Landes- und Kommunalstraßen und der Bund für die Bundesstraßen.“ Auf Bundesebene werde über einen Infrastrukturfonds nachgedacht. „Der betrifft allerdings nicht die Länder oder die Kommunen, sondern ausschließlich die Bundesfernstraßen, die Bundesstraßen und natürlich auch die Bundesschienenwege.“
Die VMK erwarte von Wissing, dass er den Worten auch Taten folgen lasse, sagte die saarländische Verkehrsministerin Petra Berg (SPD). Nicht zuletzt der Einsturz der Carolabrücke in Dresden habe den Handlungsbedarf vor Augen geführt. Der Infrastrukturfonds müsse so aufgelegt werden, dass er viele Jahre trage und nicht von Haushalt zu Haushalt ins Wanken geraten könne.
Für die Sanierungsoffensive sei ein langer Atem von zehn bis 20 Jahren notwendig, sagte der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Die großen Straßenbauprojekte der 60er bis 80er Jahre müssten jetzt angegangen werden. Das gelte auch für Schleusen und Eisenbahnbrücken, die teils bis zu 100 Jahre alt seien.
„Egal, wer die nächste Bundesregierung stellt, er muss sich dieser Frage stellen“, sagte Herrmann. Am Ende müsse der Fonds wohl gesetzlich abgesichert werden. Aus dem Konzept der Verkehrsminister solle die nächste Bundesregierung für ihre Koalitionsvereinbarung schöpfen können.
NRW-Minister Krischer zufolge könnte der Fonds etwa mit Einnahmen aus der Lkw-Maut oder der Kfz-Steuer finanziert werden. Dem Beschluss der Verkehrsminister zufolge könnte auch die CO2-Bepreisung im Verkehr für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur eingesetzt werden.
Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) sagte, wenn man nicht an der Schuldenbremse ändern könne, müssten andere Finanzierungsinstrumente für die Infrastruktur gefunden werden. Geprüft werde daher auch, ob und wie privates Kapital herangezogen werden könne. „Es ist wirklich kurz vor 12“, sagte Bonde.
Díe rheinland-pfälzische Verkehrsministerin Daniela Schmitt (FDP) sagte, auch Kapital aus großen Unternehmen und Versicherungen könne für den Fonds eingesetzt werden. Es dürfe da keine Denkverbote geben. Auch privates Kapital müsse für gesamtgesellschaftlich bedeutende Vorhaben herangezogen werden.
Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) beläuft sich der gesamte Investitionsbedarf in die Verkehrsinfrastruktur allein bis 2030 auf mehr als 100 Milliarden Euro jährlich. Besonders bei den Kommunen sei der Bedarf groß, sie brauchten Jahr für Jahr eigentlich über 60 Milliarden Euro.
Die Infrastruktur leide auch durch den wachsenden Verkehr. 2022 war laut IW knapp 39 Prozent mehr Verkehr auf deutschen Straßen unterwegs als noch 20 Jahre zuvor. Beim Schienenverkehr stieg die Verkehrsleistung sogar um mehr als 75 Prozent gegenüber dem Jahr 1992. Fast 23 Jahre dauert es nach IW-Angaben im Schnitt vom Beginn der Vorplanung eines neuen Schienenwegs, bis der erste Zug über die Gleise rollt.
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