Städte weltweit müssen sich auf ein dauerhaftes Fernbleiben vieler Büroangestellter einstellen. In Deutschland arbeitet nach den regelmäßigen Umfragen des Münchner Ifo-Instituts auch nach dem Ende der Corona-Pandemie ein gutes Viertel der Angestellten daheim, in manchen internationalen Metropolen liegt der Anteil der Heimarbeiter laut McKinsey Global Institute sogar noch höher.
Das hat Auswirkungen auf den Büroimmobilienmarkt: In Deutschland sind die Neuvermietungen im ersten Halbjahr um 40 Prozent eingebrochen, wie der Immobiliendienstleister Jones Lang LaSalle (JLL) berichtet. „Zwanzig Prozent sind der Homeoffice-Effekt, die übrigen zwanzig Prozent der Effekt der konjunkturell unsicheren Lage“, sagt Stephan Leimbach, Leiter des Bürovermietungsgeschäfts bei JLL.
Das zweite Halbjahr läuft laut Leimbach traditionell besser als das erste. „Für dieses Jahr gehen wir davon aus, dass etwa 2,8 Millionen Quadratmeter Bürofläche neu vermietet werden, letztes Jahr waren es 3,6 Mio Quadratmeter. Das wäre ein Rückgang von gut 20 Prozent.“
„Die Homeoffice-Quote liegt seit einem Jahr stabil bei 25 Prozent der Beschäftigten“, sagt Simon Krause, Homeoffice-Fachmann des Münchner Ifo-Instituts. „Wir gehen davon aus, dass das so bleibt.“ Vor der Pandemie seien es nur 10 Prozent gewesen. „Die Folge ist, dass sich die Zahl der wegen Homeoffice leerstehenden Büros verdreifacht hat. In manchen Branchen sind das jeden Tag etwa 30 bis 35 Prozent der Büros.“
Ungenutzte Büroräume sind teuer, in wirtschaftlich unsicheren Zeiten entscheiden sich viele Firmen für die Verkleinerung. Einige wandelten die freien Büros in Gemeinschaftsflächen um - für mehr persönliche Interaktion an Präsenztagen, sagt Ökonom Krause. Andere verringerten ihren Flächenbedarf etwa durch Desksharing, hier teilen sich mehrere Mitarbeiter einen Schreibtisch. „Dieser Effekt schlägt auf den Büromarkt durch. Das passiert aber nicht sofort, sondern mit Verzögerung, weil viele Firmen langfristige Mietverträge haben.“
Ein Beispiel: Der Dax-Konzern Fresenius. Das in Bad Homburg ansässige Unternehmen renoviert seinen Hauptsitz. Nach Angaben einer Sprecherin arbeiten jeden Tag etwa 40 bis 50 Prozent der Belegschaft in Bad Homburg im Büro. Das Unternehmen hat deswegen mehrere kleine Büroflächen in der Stadt „abgemietet“ und holt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Zentrale zurück. Dort teilen sich demnach 1800 Beschäftigte 1100 PC-Arbeitsplätze. In München hat der Versicherungskonzern Allianz einen großen Standort im Stadtteil Neuperlach aufgegeben, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Eine Folge der Arbeit im Heimbüro ist, dass eine steigende Zahl von Unternehmen inzwischen weniger Büroarbeitsplätze als -angestellte hat. Wollte die Belegschaft eines Tages wieder komplett in der Firma arbeiten, gäbe es Streit um die Schreibtische.
Der Trend zum Schrumpfbüro wird wohl anhalten. Das McKinsey Global Institute - Teil der weltweit tätigen Unternehmensberatung - hat den Büromarkt in neun führenden Wirtschaftsmetropolen untersucht. So schätzen die Autoren der Studie, dass der Bedarf an Büroflächen bis 2030 in sieben der neun Städte sinken wird - so in München um 16 Prozent, in Shanghai um 14 und in San Francisco sogar um 20 Prozent.
Die Folgen treffen keineswegs nur die Vermieter, die in den Zentren der Großstädte bis zum Beginn der Corona-Pandemie turmhohe Mieten verlangen konnten. Nach den Analysen des Ifo-Instituts hat sich ein Teil der Einzelhandelsumsätze aus den Zentren an die Stadtränder und in die Vororte verlagert.
Halbleere Büros sollten nach Ifo-Einschätzung auch den Bürgermeistern zu denken geben. „Die Kommunen müssen sich überlegen, wie sie die Innenstädte weiter entwickeln können, so dass sie eine attraktive Mischung von Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit bieten“, sagt Krause.
In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg entvölkerten sich in vielen Großstädten die Innenstädte, weil deren Bewohner Büros Platz machen mussten. In Deutschland sind den Zentren zumindest die Geschäfte erhalten geblieben. In den USA ähneln viele „business districts“ nach Feierabend und an Wochenenden menschenleeren Geisterstädten.
Eine Option zur Bewahrung lebendiger Innennstädte wäre die Rückkehr einer - wenn auch voraussichtlich eher bescheidenen Zahl - von Bewohnern. McKinsey geht davon aus, dass mit Ausnahme von Paris bis 2030 der innerstädtische Wohnungsbedarf in den neun Metropolen überall steigen wird.
Unternehmen müssen bei der Verkleinerung ihrer Büros sehr sorgfältig planen. Die Personalabteilungen stehen vor einer schwierigen Aufgabe: Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten am liebsten daheim. Aber wenn sie denn im Büro erscheinen, möchten sie dort vom Arbeitgeber in schönem Ambiente mit attraktiven Arbeitsbedingungen umsorgt werden.
„Die Qualität des Büros wird immer wichtiger“, sagt Stephan Kippes, der Marktforscher des Immobilienverbands Deutschlad Süd. „Wenn ich gute Leute haben will, muss ich denen etwas bieten.“ Gut ausgestattete Büros sind nach Kippes' Einschätzung in Zeiten steigenden Fachkräftemagels ein wichtiger Faktor, um rare und begehrte Arbeitskräfte zu halten. „Damit hat ein Unternehmen die besten Chancen, dass die Leute wieder ins Büro zurückkommen und nicht gleich wieder wechseln.“
Doch nicht nur die Ausstattung spielt eine große Rolle, sondern auch die Lage. „Es sollte ein Ort sein, an dem man sich wohlfühlt, der gut zu erreichen ist und wo man in der Umgebung noch andere Dinge erledigen kann“, sagt Leimbach. Fazit: „Das Büro muss mehr sein als ein überdachter Schreibtisch.“
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