Saint-Quentin-en-Yvelines (dpa) - Emma Hinze winkte kurz ins Publikum, bei Lea Sophie Friedrich wirkte das Lächeln gequält. Doch ausgelassene Freude wollte nach dem Trostpreis Bronze nicht wirklich beim erfolgsverwöhnten deutschen Teamsprint-Trio aufkommen. Denn der große Traum von Olympia-Gold ist vor den Toren von Paris jäh geplatzt. Vier Jahre dominierten Hinze und Co. die Bahnrad-Weltspitze, fuhren einen Weltrekord nach dem anderen, doch ausgerechnet beim großen Showdown im Velodrome von Saint-Quentin-en-Yvelines musste das Team bei der Weltrekord-Show nur eine Nebenrolle einnehmen.
„Wir haben uns gar nichts vorzuwerfen. Wir sind alle drei Teams Weltrekord gefahren. Wir haben alles gegeben. Jeder von uns ist Bestzeit auf seiner Position gefahren“, sagte Friedrich und Grabosch meinte: „Es ist eine Medaille. Wir haben so hart dafür gekämpft. Es sind viele Weltrekorde gefahren worden. Es fahren viele Mädels unheimlich schnell. Chapeau an die anderen beiden Teams.“
Dabei hatten Hinze, Friedrich und Pauline Grabosch im zweiten Lauf in 45,377 Sekunden sogar zwischenzeitlich einen Weltrekord aufgestellt, doch die Marke hielt gerade einmal wenige Minuten. Neuseeland und Großbritannien toppten die Zeit und zogen ins Finale ein, das schließlich die Britinnen in der Weltrekordzeit von 45,186 Sekunden gewannen. Hinze schaute geschockt auf die Anzeigetafel, Grabosch ließ sich enttäuscht auf den Lenker fallen. Im kleinen Finale gab es einen Sieg gegen die Niederlande.
„Wir wollten so schnell fahren wie noch nie, das haben wir geschafft. Dann waren noch zwei schneller. Das war ärgerlich“, sagte Bundestrainer Jan van Eijden. „Letztendlich sind wir mit der Bronzemedaille glücklich. Vielleicht erst einmal nicht zufrieden, weil wir mehr wollten. Wir haben Bronze gewonnen.“
„Ich hoffe, sie nehmen das mit in die nächsten Disziplinen. Man hat eine Medaille geschafft, vielleicht nicht die, die man wollte. Aber man sollte das nicht kleinreden“, sagte Kristina Vogel im ZDF. Die London-Olympiasiegerin ist in Paris als TV-Expertin im Einsatz.
Dabei sollte es doch Gold werden. Vor drei Jahren bei den Sommerspielen in Tokio hatten Hinze und Friedrich - der Wettbewerb wurde noch mit jeweils zwei Fahrerinnen ausgetragen - noch im Finale gegen China das Nachsehen.
„Wir wissen, dass wir die Weltmeisterschaften immer gewonnen haben. Das ist noch unser Ziel, was wir erreichen wollen“, hatte Anführerin Hinze das Ziel klar formuliert - ohne Erfolg. Damit muss Deutschland auf das zweite Gold im Frauen-Teamsprint nach 2012 weiter warten. Rekord-Weltmeisterin Kristina Vogel und Miriam Welte hatten einst in London sensationell Gold geholt.
Dieses Mal war das deutsche Trio klar favorisiert. Zu überlegen hatten sie Jahr für Jahr die Titel eingesammelt. Dass es aber kein einfaches Unterfangen wird, wurde spätestens Ende Juni deutlich, als die größten Konkurrentinnen bei der China Track League in Luoyang zu einem neuen Weltrekord gerauscht waren. Mit einer Zeit von 45,478 Sekunden waren Yufang Guo, Shanju Bao und Liying Yuan fast vier Zehntelsekunden schneller als das deutsche Trio bei ihrem WM-Triumph 2023 in Glasgow.
Und in der Qualifikation setzte plötzlich Großbritannien noch einen drauf und sorgte in 45,472 Sekunden für eine weitere Fabelzeit. Das deutsche Team hatte da schon als Dritter knapp zwei Zehntelsekunden Rückstand. Die deutliche Leistungssteigerung im zweiten Lauf reichte nicht zum Finale.
Zumindest Hinze und Friedrich haben in den nächsten Tagen noch die Chance in den beiden Einzeldisziplinen Keirin und Sprint das erhoffte erste Gold noch nachzuholen. Friedrich dürfte dabei gute Erinnerungen an das Holzoval in Saint-Quentin haben, holte sie doch vor zwei Jahren dort im Keirin den Titel.
Keinen weiteren Auftritt hat der deutsche Vierer, der in der Qualifikation in 3:50,083 Minuten nur die neuntbeste Zeit und damit das Weiterkommen verpasste. Das deutsche Team war ohnehin ohne Medaillenambitionen angereist, da die Ausrichtung auf das Madison mit Roger Kluge und Theo Reinhardt ausgelegt war. Aufgrund der Nominierungs-Richtlinien mussten beide auch im Vierer starten, womit die ursprüngliche Bestbesetzung nicht möglich war. Gleiches galt für Tim Torn Teutenberg, auf den die Hoffnungen im Omnium ruhen. Die schnellste Zeit fuhr in der Qualifikation Australien.
Auch die deutschen Teamsprint-Männer waren von den Topzeiten weit entfernt. Mit Platz sieben dürfte in der nächsten Runde das Aus kommen.
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