Bundeskanzler Olaf Scholz sieht die Zukunft der einstigen Arbeiterpartei SPD trotz ihrer schrumpfenden Stammwählerschaft nicht bedroht. „Die SPD ist die Erfinderin der Massenpartei, der demokratischen Partei in Deutschland“, sagte Scholz bei einem Auftritt beim Philosophiefestival Phil.Cologne in Köln.
Es stimme, dass die SPD anfangs eine reine Arbeiterpartei gewesen sei, doch habe sie sich dann für andere Schichten der Bevölkerung geöffnet. Dabei habe sie an ihren Werten wie Fairness und Respekt vor der arbeitenden Bevölkerung festgehalten.
Es war das erste Mal, dass ein Bundeskanzler bei der Phil.Cologne auftrat. Scholz diskutierte dort mit dem Arbeitsphilosophen Axel Honneth über „Arbeit und Demokratie“. Die Leitfrage lautete, wie es zu verhindern sei, dass die Politikverdrossenheit weiter zunimmt und sich immer mehr Menschen in die Echokammern der sozialen Netzwerke zurückziehen.
Scholz betonte, dass Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss ein genauso gutes politisches Urteilsvermögen haben könnten wie ein Hochschullehrer. Das sei in einer Demokratie auch sehr wichtig. Das Informationsniveau der Bürger sei heute im Übrigen oft höher als früher, für Kulturpessimismus bestehe kein Anlass. Er selbst kenne viele Menschen, die einer recht monotonen Arbeit nachgingen und dennoch aktiv an der demokratischen Mitbestimmung mitwirkten. Die akademische Mittelschicht unterschätze oft die Fähigkeiten dieser Menschen und halte ihre Ansichten zu Unrecht für nicht relevant.
Ein Problem sei natürlich, dass sich viele Menschen in den Echokammern der sozialen Netzwerke bewegten und dort immer nur in ihrer vorgefassten Meinung bestätigt würden. Wenn man eine Tageszeitung lese, werde man dort immer auch mit überraschenden Informationen und mit anderen Meinungen konfrontiert, und das sei sehr wichtig.
Von Theorien, dass die menschliche Arbeit irgendwann überflüssig werde, etwa durch Künstliche Intelligenz, halte er nichts, sagte Scholz. Schon vor 100 Jahren habe es Prognosen gegeben, wonach Maschinen die Arbeit der Menschen bald überflüssig machen würden. Das sei nicht eingetreten. Von daher glaube er, „dass wir eigentlich zuversichtlich sein können“. Auch könne er nicht erkennen, dass Arbeit für die nachwachsende Generation nicht mehr wichtig sei.
Bei vielen der knapp 40 Veranstaltungen des einwöchigen Festivals Phil.Cologne stehen in diesem Jahr gesellschaftspolitische Fragen im Vordergrund. Am Freitag war bereits Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu Gast gewesen.
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