Emma Hinze schaute mit bangem Blick zur Anzeigetafel, dann riss sie jubelnd den Arm nach oben.
Die Sprint-Königin hat bei den Rad-Weltmeisterschaften ihre Goldjagd eindrucksvoll fortgesetzt und ist auch im 500-Meter-Zeitfahren zum WM-Titel gerast. Einen Tag nach Gold im Teamsprint legte Hinze in 32,820 Sekunden die schnellste Zeit auf das Holzoval im Sir Chris Hoy Velodrome.
Teamkollegin Lea Sophie Friedrich (33,134) sicherte sich hinter der Australierin Kristina Clonan Bronze. Eine Medaille gab es auch für den früheren Bahnrad-Profi Robert Förstemann, der in den Para-Wettbewerben mit Thomas Ulbricht den dritten Platz im 1000-Meter-Zeitfahren belegte.
„Ich bin sehr stolz. Ich habe jetzt in jeder Disziplin das Regenbogen-Trikot geholt, was sehr cool ist. Das ist der Titel, der mir noch gefehlt hat. Wenn es nächstes Jahr genauso so läuft, wäre es super. Aber man kann auf jeden Fall viel mitnehmen“, sagte Hinze, für die es bereits der achte WM-Titel ihrer Karriere war. Damit liegt sie gleichauf mit Friedrich und nähert sich dem WM-Rekord von Kristina Vogel (11), die seit ihrem Trainingsunfall 2018 querschnittsgelähmt ist. Friedrich war indes „mehr als glücklich, wieder auf dem Podium zu stehen“ und freute sich auch über das Gold von Teamkollegin und Freundin Hinze: „Emma ist megagut drauf. Ich hatte auch ein kleines Grinsen, als sie gewonnen hat.“
Ein Jahr vor Olympia präsentiert sich Hinze in bestechender Form. Nach schwachem Start holte sie sich mit einer starken zweiten Runde doch noch den Sieg vor Clonan. Bereits im Teamsprint sorgte die gebürtige Hildesheimerin auf der zweiten Position für den Unterschied. Und ihre Titeljagd in Glasgow ist noch lange nicht beendet: Im Keirin und im Sprint warten zwei weitere (Gold-)Chancen.
Bleibt zu hoffen, dass der WM-Rausch kein schlechtes Omen für die Olympischen Spiele in Paris ist. Als Dreifach-Weltmeisterin von Berlin war sie 2021 nach Tokio gereist und musste sich am Ende mit Silber im Teamsprint begnügen. „Als ich in Berlin gewonnen habe, habe ich es nicht als Belastung empfunden. Aber ich habe schon gemerkt, wie sehr alle bei Olympia auf mich und meine Leistung schauen. Und wie auch die Gegnerinnen gefühlt nur gegen mich gefahren sind“, erinnert sich Hinze. „Das direkt vor Ort zu erleben, war schon schwierig, weil ich das vorher nie erfahren konnte und nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte.“
Inzwischen scheint sie gereift zu sein. Dabei beglich sie auch eine Rechnung von der WM 2022. Bei ihrer Bestzeit in der Qualifikation wies sie Marie-Divine Kouamé klar in die Schranken. Im Vorjahr hatte ihr die junge Französin noch eine schmerzliche Niederlage im 500-Meter-Zeitfahren zugefügt. Pauline Grabosch (33,296) rundete als Fünfte das starke deutsche Ergebnis ab.
Für den einst so ruhmreichen deutschen Vierer geht indes auch nach 21 Jahren das lange Warten auf eine WM-Medaille weiter. Theo Reinhardt, Tobias Buck-Gramcko, Joachim Eilers und Felix Groß belegten in der 4000-Meter-Mannschaftsverfolgung in 3:51,282 Minuten den siebten Platz.
2002 hatte der deutsche Vierer mit Silber in Kopenhagen die letzte Medaille geholt, ehe der Abwärtstrend begann. Bis dahin war die Mannschaftsverfolgung eine große Erfolgsgeschichte im deutschen Radsport. Fünf Olympiasiege und 16 Weltmeistertitel fuhren deutsche Mannschaften in der Vergangenheit heraus.
Auch im Frauen-Vierer, der 2021 in Tokio noch Gold gewann, wird es wohl nichts mit einer Medaille. Franziska Brauße, Lisa Klein, Mieke Kröger und Laura Süßemilch fuhren in der Qualifikation in 4:15,035 Minuten nur die sechstbeste Zeit. Damit ist in der nächsten Runde am Samstag maximal noch der Einzug ins kleine Finale möglich.
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