Bei Schulkindern in Deutschland haben Beschwerden wie Kopf-, Bauch- und Rückenschmerzen, Einschlafprobleme und Niedergeschlagenheit über die Jahre stark zugenommen. Das ist ein Ergebnis der Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ (HBSC), die im Fachblatt „Journal of Health Monitoring“ veröffentlicht wurde.
Was die Analyse auch zeigt: Die meisten Kinder und Jugendlichen bewegen sich nach wie vor viel zu wenig. Die Daten zu körperlicher Aktivität seien ernüchternd, sagte Jens Bucksch von der Universität Heidelberg am Montag in Berlin bei der Vorstellung der Daten. Ein weiteres Ergebnis: Die gesundheitliche Situation ist stark vom Wohlstand der Familie abhängig.
„42 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen haben angegeben, dass sie vielfältige psychosomatische Beschwerden haben. Das ist ein Anstieg von 14 Prozent im Vergleich zur Befragung von 2017/18“, sagte Franziska Reiß vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf mit Verweis auf die jüngste Befragung von 2022.
Der erfasste Anstieg sei enorm, insbesondere in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Auch aus anderen Studien sei bekannt, dass psychische Belastungen in dieser Zeit stark zugenommen hatten, vor allem bei Mädchen. Laut der aktuellen Studie berichteten etwa die Hälfte der Mädchen und ein Drittel der Jungen über multiple psychosomatische Gesundheitsbeschwerden.
Konkret gefragt wurden die Kinder, wie häufig sie in den vergangenen sechs Monaten zum Beispiel Kopf-, Bauch- oder Rückenschmerzen hatten. Auch Niedergeschlagenheit, Nervosität und Einschlafprobleme wurden abgefragt.
Für die HBSC-Studie werden alle vier Jahre 11- bis 15-Jährige befragt. Insgesamt beteiligten sich 6500 Kinder und Jugendliche in Deutschland an der jüngsten Erhebung. Die HBSC-Studie wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützt, in Deutschland befasst sich ein Studienverbund an mehreren Standorten damit.
Die Forscher haben auch untersucht, wie gut Kinder und Jugendliche in der Lage sind, mit Informationen zu Gesundheitsthemen umzugehen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass bei etwa einem Viertel die Kompetenz als niedrig einzustufen ist.
Kinder mit wenig Gesundheitswissen hätten häufiger psychosomatische Beschwerden, sagte Ronja Maren Helmchen von der Hochschule Fulda. Der kompetente Umgang mit solchen Informationen sei ein wichtiger Punkt, wenn es darum gehe, dass Kinder und Jugendliche gesund aufwachsen, betonte sie.
Fragten die Forscher die Kinder und Jugendlichen 2022 direkt nach ihrer Gesundheit, so ergaben sich beim Großteil gute Werte und eine hohe Lebenszufriedenheit. Allerdings gibt es auch hier Einschnitte: Der Anteil derjenigen mit eher schlechter subjektiver Gesundheit und einer niedrigen Lebenszufriedenheit sei im Vergleich zur Welle 2017/18 deutlich gestiegen, hieß es.
Für die Einschätzung der Lebenszufriedenheit spielt die soziale Herkunft nach wie vor eine wichtige Rolle. „Wir haben auch 2022 klare Unterschiede und Ungleichheiten sehen können“, sagte Irene Moor von der Universität Halle. „Zum Beispiel gaben ein Viertel der Kinder und Jugendlichen, die einen niedrigen familiären Wohlstand haben, auch an, eine niedrige Lebenszufriedenheit zu haben. Im Vergleich dazu sind es zehn Prozent derjenigen, die sozial privilegiert sind“, so Moor.
Ein Problem, das einen Großteil der Befragten betrifft: Bewegungsmangel. Die Weltgesundheitsorganisation empfehle, sich täglich zumindest 60 Minuten moderat zu bewegen. Dies werde gerade mal von 10 Prozent der Mädchen und 20 Prozent der Jungen erreicht, sagte Jens Bucksch von der Universität Heidelberg.
„Ein zweiter eklatanter Befund ist, dass es im Altersverlauf zwischen 11 und 15 Jahren noch einmal zu einem massiven Verlust an Bewegung kommt, dabei sind wir ja eigentlich schon am unteren Ende“, so Bucksch. So erreichten von den 11-jährigen Mädchen noch 15 Prozent die Empfehlung. „Bei den 15-Jährigen sind wir nur noch bei 7 Prozent. Das ist quasi fast niemand mehr“, so der Wissenschaftler. Die körperliche Aktivität ist laut Studie bei Jungen in den vergangenen Jahren relativ stabil geblieben, bei Mädchen hat sie leicht abgenommen.
In der Studie geht es auch um Mobbing. Saskia Fischer von der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus-Senftenberg nannte die Ergebnisse „problematisch“. Mobbing habe schwerwiegende Konsequenzen, nicht nur für die schulischen Leistungen. „Es ist auch ein deutliches Gesundheitsrisiko“, betonte Fischer.
„2022 haben 14 Prozent der befragten Schülerinnen angegeben, dass sie aktive Erfahrungen mit Mobbing machen, das heißt, dass sie im schulischen Kontext gemobbt werden, Mobbing ausüben oder in beiden Rollen aktiv sind“, sagte die Forscherin. Von Cybermobbing sei nur etwa die Hälfte (7 Prozent) betroffen. Das ist allerdings mehr als noch 2017. Damals lag der Anteil noch bei 4 Prozent.
Um Mobbing, aber auch gesundheitliche Ungleichheiten und die Häufigkeit psychosomatischer Beschwerden auszugleichen, brauche es Maßnahmen, die sich speziell an die betroffenen Zielgruppen richten, so Fischer. Der Fuldaer Wissenschaftler Kevin Dadaczynski forderte, das Thema Gesundheit viel stärker in Schulen zu verankern. Hier brauche es eine entsprechende gesetzliche Grundlage. Es dürfe nicht nur Sache einzelner, engagierter Schulen sein, sich mit Gesundheitsfragen zu beschäftigen. Dies führe zu einer weiteren Verstärkung von sozialen Unterschieden.
International wurden erste Befragungen bereits in den 1980er-Jahren durchgeführt. Inzwischen sind mehr als 50 Länder in Europa sowie Nordamerika und über 450 Forschende beteiligt. Es sei eine der größten Studien zur Kinder- und Jugendgesundheit weltweit, heißt es im „Journal of Health Monitoring“.
In einem Editorial werden als Herausforderungen der heutigen Zeit unter anderem die belastete mentale Gesundheit, der Umgang mit Krisen, der Einfluss sozialer Medien, der Klimawandel sowie die steigende soziale und gesundheitliche Ungleichheit genannt.
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