München (dpa/lby) - Nach der Flut kamen die Mücken: In Teilen Bayerns quälen ungewöhnlich viele Blutsauger die Menschen. In Einzelhandel und Apotheken wird teilweise der Mückenschutz knapp, wie von den entsprechenden Handels-Verbänden zu hören ist. Die Biologin und Mücken-Expertin Doreen Werner spricht nicht von einer Mückenplage, doch ein schnelles Schrumpfen der Schwärme erwartet sie nicht.
Im bayerischen Einzelhandel waren gängige Mückenschutzmittel zuletzt in vielen Geschäften in den betroffenen Gebieten ausverkauft. „Es gab einen regelrechten Ansturm“, sagt Bernd Ohlmann, Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern. „Aber es ist auch klar: Mückenschutz ist nicht das neue Klopapier. Wenn man es nicht in der Drogerie um die Ecke bekommt, dann vielleicht in einem anderen Geschäft.“ In Gebieten wie dem Fünf-Seen-Land in Oberbayern seien solche Nachfragespitzen nichts Neues. Dieses Jahr treffe es aber auch andere Gegenden.
Auch in Apotheken ist nicht immer etwas zu holen: „Es gibt die ersten Engpässe“, sagt Helen Brugger. Sie ist Sprecherin des Bayerischen Apothekerverbandes für den Bereich Starnberg und Inhaberin zweier Betriebe in Herrsching. „Aktuell verkaufen wir mehr als sonst zu dieser Zeit.“ Noch kämen Bestellungen regelmäßig nach. Wie lange das aber der Fall sein werde, könne sie nicht sagen, so Brugger.
Auch ein Blick auf die Homepage des Drogeriemarktes dm passt zu Ohlmanns Einschätzung: Stand Montagvormittag war demnach ein gängiges Mückenschutzmittel in vielen Filialen in Oberbayern und Schwaben nicht verfügbar. Auch in Niederbayern und Mittelfranken gab es viele Lücken, in anderen nicht von den Überschwemmungen betroffenen Gegenden Deutschlands dagegen kaum. Online war das Mittel dagegen allgemein verfügbar. Ob ein ursächlicher Zusammenhang mit den Überschwemmungen besteht, ist dabei allerdings unklar.
Im Einzelhandel machten sich die Mückenschwärme oft erst mit etwas Verspätung bemerkbar, sagt Ohlmann. Viele Menschen hätten noch Restbestände an Mückenschutzmittel und gingen erst einkaufen, wenn diese aufgebraucht seien.
„Auf jedes Hochwasser folgen Überschwemmungsmücken“, sagt Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung, die den bundesweiten „Mückenatlas“ leitet. Die weiblichen Tiere legten ihre Eier an Ufergrenzen ab, erklärt sie. „Woher sie wissen, an welchen Stellen der Pegel bald steigen wird, ist derzeit noch unerforscht. Sie haben aber gute Sensoren.“ Würden die Eier mit dem nächsten Regen nass, sei der Startschuss für die Mücken-Entwicklung gefallen. Je nach Temperatur schlüpfen nach wenigen Tagen die Tiere.
Im Gegensatz zu anderen Mückenarten hätten Überschwemmungsmücken ein „sehr penetrantes Anflugverhalten“, sagt Werner. „Schlägt man sie mit der Hand weg, starten sie gleich den nächsten Versuch. Sie zögern nicht.“ Die Tipps der Expertin: geschlossene Kleidung tragen und Brutstätten, wie etwa Auwälder, meiden. „Wurde man gestochen, ist das A und O nicht zu kratzen.“ Durch das Jucken würden Dreckpartikel und Bakterien in der Wunde landen, der Stich könne sich dann entzünden. „Das ist das, was uns letztendlich zum Arzt treibt. Es gibt keine Allergien auf Mückenstiche. Wir sind dafür selbst verantwortlich.“
Aus Sicht der Wissenschaft würde Werner allerdings aktuell nicht von einer Plage sprechen. „Darum handelt es sich erst bei 20 Stichen pro Minute“, sagt sie. „Da wird man von den Mücken regelrecht belagert.“ In vereinzelten Gebieten, etwa an Brutstätten, schließe sie ein plageartiges Aufkommen aber nicht aus.
Schnelle Erleichterung ist eher nicht zu erwarten: Laut Werner haben Mücken eine Lebensdauer von rund vier bis sechs Wochen. Auch diese sei jedoch an Temperatur und Wetterlage gebunden. Das heiße aber nicht unbedingt, dass sich das Problem in einigen Wochen erledigt habe: „Mücken sind clever. Sie schlüpfen in Etappen.“ Hinzu kommt: Mit jedem Regenguss steige die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus abgelegten Eiern weitere Tiere entwickeln. In „maximal zwei bis drei Monaten“ sei jedoch Aufatmen angesagt.
Während sich viele Menschen über die Stechmücken ärgern, sind die Insekten für die Umwelt wichtig: „Für viele Tiere, wie etwa Amphibien, Fische oder räuberische Insekten, sind sie eine ideale Beute“, so Werner. Zudem würden die Tiere Wasser reinigen und eine wichtige Rolle beim Bestäuben von Blüten spielen. „Sie sind oft so negativ belastet, dass man das Gute vergisst.“
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