Sein vollmundiges Vorhaben gegen seinen Trauzeugen konnte Tim Kleindienst nicht umsetzen. Glücklich war der Matchwinner von Borussia Mönchengladbach nach dem 3:2-Sieg gegen seinen Ex-Club Heidenheim trotzdem. „Pass auf, ich schieße einen Hattrick gegen dich“, hatte Kleindienst vor der Partie zu seinem guten Freund und FCH-Torhüter Kevin Müller gesagt. „Dass ich so nah dran war, hätte ich selber nicht geglaubt.“ Mit zwei Toren war der 29-Jährige der gefeierte Mann im Borussia-Park.
Noch lange nach dem Spiel lief Kleindienst durch die Katakomben des Stadions. Er tauschte sein Trikot mit Müller, unterhielt sich lange mit ehemaligen Teamkollegen und beantwortete Fragen. Mit seinem sehenswerten Hacke-Tor und einem eiskalt verwandelten Strafstoß hatte er zuvor verhindert, dass Gladbach noch tiefer in die Krise rutscht und der Druck auf Trainer Gerardo Seoane noch größer wird.
„Heute hat man gesehen, was Selbstbewusstsein ausmacht im Fußball“, sagte Gladbachs Sportchef Roland Virkus. „Dass alle, die da unten stehen, Bundesliga spielen können - darüber brauchen wir nicht zu reden. Aber der Kopf spielt halt auch mit. Tim kommt von der Nationalmannschaft, hat zwei gute Spiele gemacht. Das macht was mit dir“, erklärte er. „Er hat dieses Selbstbewusstsein super auf den Platz gebracht mit seiner Energie, seinem Fleiß, seiner Torgefahr. Er hat viel für die Mannschaft getan. Deswegen sind wir sehr stolz, dass er hier bei uns ist.“
Tatsächlich wirkten Kleindiensts Premieren-Länderspiele in Bosnien-Herzegowina (2:1) und gegen die Niederlande (1:0) wie ein zusätzlicher Leistungsboost. Auch zuvor hatte Kleindienst bisher eine gute Saison gespielt. Ausgerechnet gegen seinen Ex-Club steigerte er sich aber nochmal. Kleindienst traf nicht nur doppelt, er war auch ständig anspielbar, hielt und verteilte die Bälle in der Spitze.
„Wenn man selber sowas Schönes erlebt hat wie jetzt mit der Nationalmannschaft, dann kann man auch der Mannschaft helfen, wenn man diesen Schwung mitnehmen kann“, sagte er. Kleindienst sammelte gleich im ersten Spiel nach seiner Rückkehr von der DFB-Elf weiter Argumente für eine erneute Nominierung. „Ich kann nur eine Sache tun: Ich kann im Verein weiterhin Vollgas geben, um so ein bisschen im Rampenlicht zu bleiben, und dann klappt’s vielleicht nochmal“, sagte er.
Zunächst will er seinem Team aber helfen, eine lange Negativ-Serie zu beenden. Seit März 2022 hat Gladbach keine zwei Bundesligaspiele nacheinander mehr gewonnen. Am kommenden Freitag beim FSV Mainz 05 soll das endlich wieder klappen - mit Tim Kleindienst als Anführer.
„Er wächst immer mehr in diese Rolle rein. Das haben wir erwartet und das erfüllt er gerade hervorragend“, sagte Virkus. Der 57-Jährige, der nach der 1:2-Niederlage gegen den FC Augsburg vor der Länderspielpause sehr kritisch gewesen war, forderte: „Das ist jetzt unser Job, im Spiel gegen Mainz genau das zu bestätigen, was wir heute gemacht haben.“
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