Angesichts der vielen Ankünfte von Bootsmigranten im Norden wie Süden Europas wollen sowohl Großbritannien als auch vier Mittelmeerstaaten härter gegen illegale Einwanderer vorgehen. Während Italien, Griechenland, Malta und Zypern in einer gemeinsamen Erklärung Maßnahmen der EU gegen zivile Seenotretter forderten, steht London Medienberichten zufolge kurz vor einem Vertrag mit Frankreich. Dieser soll illegale Überfahrten über den Ärmelkanal verhindern.
Mehr als 40.000 Menschen überquerten laut offiziellen Angaben in diesem Jahr bisher illegal die Meerenge, Rekord seit Beginn der Aufzeichnungen 2018. Damit kamen 2022 bereits deutlich mehr Migranten unerlaubt auf die Insel als im Gesamtjahr 2021.
Die konservative Regierung will die Migranten mit radikalen Maßnahmen abschrecken. So sollen illegal Eingereiste ins ostafrikanische Ruanda ausgeflogen werden - ohne Rücksicht auf den Asylstatus.
Das Abkommen mit Frankreich soll dafür sorgen, dass die Zahlen deutlich sinken. Es sieht Medienberichten zufolge vor, dass deutlich mehr französische Grenzschützer am Ärmelkanal eingesetzt werden. London zahlt dafür Dutzende Millionen Euro an Paris.
Der britische Staatssekretär für Einwanderung Robert Jenrick behauptete in einem Gastbeitrag für die Zeitung „Sunday Telegraph“, Großbritannien biete Migranten zu viele Anreize und warf ihnen vor, „Asyl-Shopping“ zu betreiben. „„Hotel Britannien“ muss ein Ende haben“, schrieb Jenrick und forderte eine einfachere Unterbringung der Menschen: „Illegale Einwanderer haben keinen Anspruch auf Luxushotels.“
Zuletzt hatten die Zustände im südostenglischen Manston für Schlagzeilen gesorgt. In dem für 1600 Menschen ausgelegten Auffanglager waren bis zu 4000 Migranten untergebracht. Es kam zu mehreren Fällen von Diphtherie, Neuankömmlinge werden nun geimpft.
Britischen Angaben zufolge stammt fast ein Drittel der illegal Eingereisten aus Albanien. Dafür sorgten kriminelle albanische Banden in Frankreich, heißt es in London. In der britischen Hauptstadt demonstrierten am Samstag zahlreiche Albaner gegen Diskriminierung.
Der Zankapfel im Mittelmeer ist aktuell die Arbeit ziviler Seenotretter, die nach Flüchtlingen in Not Ausschau halten. Dass deren Schiffe „völlig unabhängig von den zuständigen staatlichen Behörden handeln“, kritisierten Italien, Griechenland, Zypern und Malta nun in einer gemeinsamen Erklärung. „Wir bekräftigen unseren Standpunkt, dass der Modus Operandi dieser privaten Schiffe nicht dem Geist des internationalen Rechtsrahmens für Such- und Rettungsaktionen entspricht, der respektiert werden sollte.“
Italiens ultrarechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni kündigte jüngst „neue Maßnahmen“ gegen die Schiffe der NGOs an. „Jeder Staat muss seine Gerichtsbarkeit und Kontrolle über die unter seiner Flagge fahrenden Schiffe tatsächlich ausüben“, fordern die vier Länder. Brüssel solle „notwendige Schritte“ unternehmen, damit eine Diskussion über die Zukunft solcher Einsätze geführt wird, hieß es.
Seit Jahren sind zivile Organisationen - auch aus Deutschland - im zentralen Mittelmeer im Einsatz. Jüngst war die „Ocean Viking“ der Organisation SOS Méditerranée mit 234 Migranten an Bord von Italien abgewiesen und nach Frankreich weitergeschickt worden. Paris ließ das Schiff in Toulon einfahren, war aber empört.
Es entwickelte sich ein diplomatischer Zwist zwischen Paris und Rom. „Italien respektiert weder das internationale Recht noch das Schifffahrtsrecht“, sagte Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna der Zeitung „Le Parisien“ (Sonntag). Das Schiff sei nur ausnahmsweise aufgenommen worden. „Es wird Konsequenzen haben, wenn Italien an dieser Auffassung festhält.“
Paris setzte ein Solidaritätsabkommen, wonach Mittelmeermigranten von Italien übernommen werden sollten, vorerst aus und verstärkte seine Kontrollen an der italienisch-französischen Grenze.
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