Dass die Gemeinde Neufahrn nördlich von München ein paar hundert Jahre älter ist als die Landeshauptstadt, war bekannt. Skelettfunde zeigen nun: Die Anfänge des 20.000 Einwohner-Ortes liegen noch deutlich weiter zurück. Mithilfe von wissenschaftlichen Untersuchungen der 2021 am Pfarrweg und am Mesnerhaus gefundenen Skelette kann das Alter von Neufahrn um mindestens 100 Jahre zurückverlegt werden, wie der Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins Neufahrn, Ernest Lang, berichtete.
„Die bisher in den Schulen gelehrte und auch in einer offiziellen Broschüre der Gemeinde beschriebene Ortsgeschichte ist nicht mehr haltbar“, sagte der Heimatforscher. Bisher war das Gründungsdatum von Neufahrn auf 804 datiert gewesen, als Stadtgründungsdatum für München der 14. Juni 1158.
Die Forscher fanden in Neufahrn Siedlungsspuren und Bestattungen, die bis in das frühe Mittelalter zurückreichen. Die Männer und Frauen vom Pfarrweg wurden in einem Zeitraum zwischen 650 und 770 nach Christus im Bereich ihres Hofes bestattet. Spätestens ab 700 begannen die Beisetzungen im Bereich des späteren Mesnerhauses. Die Funde belegten auch, dass an der Stelle der heutigen Kirche schon im 8. Jahrhundert ein Gotteshaus mit Friedhof gestanden haben muss, wie die Gebietsreferentin des Landesamts für Denkmalpflege, Amira Adaileh, berichtete.
In dieser Zeit existierten unterschiedliche Ausprägungen der Bestattungsbräuche nebeneinander. Nach dem Ende der großen Reihengräberfriedhöfe des 6. Jahrhunderts bestatteten die Menschen ihre Verstorbenen oft weiter in westöstlicher Ausrichtung innerhalb ihrer Siedlungen. Erst im Laufe des 8. Jahrhunderts verlagern sich die Friedhöfe hin zu den Ortskirchen.
„Die Menschen errichteten hier mehrere Hofstellen, von denen sich die Reste der typischen, in den Boden eingelassenen Grubenhäuser sowie einige Langhäusern erhalten haben“, sagte Kreisarchäologin Delia Hurka über die frühe Besiedelung. Nicht ungewöhnlich sei die Art von sieben Bestattungen innerhalb von Höfen mit Wohnhaus und Nebengebäuden. Es handele sich um zwei Dreiergruppen von einer Frau und zwei Männern im Norden, einem Mann und zwei Frauen etwas weiter südlich sowie einer Einzelbestattung eines Mannes. Sie alle waren in westöstlicher Lage beigesetzt.
Insgesamt 17 Skelette - sechs aus dem Bereich des Pfarrweges und elf aus dem Bereich des Mesnerhauses - wurden mit der Radiokarbonmethode untersucht. Dabei wird das radioaktive Kohlenstoffisotop C-14 gemessen, das mit einer bestimmten Halbwertszeit zerfällt - und so Ausschluss gibt über das Alter bestimmter Objekte. Die Ergebnisse sollen auf Schautafeln zusammen mit anderen Fundstücken aus dem Gemeindegebiet in Vitrinen im sanierten Mesnerhaus der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
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