Nach einem von Greenpeace und dem Bund Naturschutz vorgelegten Rechtsgutachten könnte die Staatsregierung Gasbohrungen im Freistaat verbieten. Beide Umweltorganisationen lehnen Gasbohrungen in Bayern kategorisch ab. „Ein flächendeckendes Verbot von Gasbohrungen bzw. der Gasförderung für das gesamte Landesgebiet Bayerns aus Gründen des Klimaschutzes ist aus rechtlicher Sicht zulässig“, heißt es in dem Gutachten der Würzburger Anwaltskanzlei Baumann.
„Eine effektive Wirksamkeit des Verbots wird sichergestellt, indem dieses als Ziel der Raumordnung im Landesentwicklungsprogramm festgelegt wird“, heißt es in dem etwas mehr als 30-seitigen Gutachten. Ein Verbot könnte neue Investitionen in fossile Energieträger verhindern.
Anlass für das Rechtsgutachten ist ein Streit zwischen Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und den Kritikern eines Projektes für Gasbohrungen in Reichling unweit des Ammersees (Landkreis Landsberg am Lech). Aiwanger hatte nach Kritik an der Genehmigung für die Probebohrung erklärt, Bayern habe keinen Ermessensspielraum bei den Genehmigungen. Zwar verstehe er die Skepsis von Anwohnern, aber wenn alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten seien, bestehe ein Rechtsanspruch, „den ich nicht verweigern kann“, teilte Aiwanger mit und verwies auf das Bundesbergrecht.
Ein Ministeriumssprecher sagte, das Gutachten habe aber keinerlei Einfluss auf die genehmigte Probebohrung in Reichling und auf laufende Genehmigungsverfahren. „Für diese Fälle war und bleibt die Rechtslage klar: Erfüllt ein Antragsteller für Probebohrungen alle rechtlichen Voraussetzungen, hat er einen Rechtsanspruch auf die Genehmigung.“
Das Gutachten werde nun rechtlich und fachlich geprüft. Ein pauschales Verbot der Gewinnung fossiler Energieträger in Bayern mit Blick auf Klimaschutzgesetz und die Klimaneutralität im Landesentwicklungsprogramm erscheine „auf den ersten Blick jedoch nicht schlüssig“. Klimaneutralität bedeute nicht zwingend, dass keine fossilen Energieträger mehr genutzt werden dürften, sagte der Sprecher. Auch CO2-Kompensation könne eine Rolle spielen.
Greenpeace-Landesbüroleiter Stefan Krug sagte: „Das Gutachten zeigt klar, dass Wirtschaftsminister Aiwanger einen effektiven Hebel hat, um neue Gasbohrungen in Bayern zu verhindern. Wir fordern Herrn Aiwanger auf, von dieser Möglichkeit nun auch Gebrauch zu machen.“ Schon die Erhebung einer Förderabgabe würde die Exploration unattraktiv machen. Stattdessen rolle Bayern den Unternehmen den roten Teppich aus.
Der Energiereferent des Bund Naturschutz, Kasimir Buhr, sagte, bei einem Erfolg der ersten Bohrung „werden weitere Bohrungen folgen. Werden diese tatsächlich umgesetzt, wäre ein großer Teil der Ammerseeregion betroffen, mittel- bis langfristig würden dort weitere Bohrtürme entstehen und Gasleitungen verlegt.“
Wie konkret seine Sorge ist, zeigte eine neue Ankündigung des Unternehmens Genexco, eine zweite Gas-Probebohrung unweit des Ammersees durchführen zu wollen. „Der Umweltverträglichkeitsbericht wurde eingereicht und die Bohrplanung eingeleitet. Wir rechnen spätestens im zweiten Quartal 2025 mit der Erteilung einer Bohrgenehmigung“, teilte das Unternehmen auf dem Finanzportal „Boerse.de“ mit. Wo genau die Bohrung geplant ist, blieb zunächst offen. Für kommenden Montag hat Genexco in Reichling zu einer Dialogveranstaltung mit Bürgern und Anwohnern geladen.
Konkret bezieht sich das zweite Erkundungsunterfangen auf die rund 100 Quadratkilometer große Konzessionsfläche Lech-Ost, die sich nördlich und östlich der Konzession Lech zwischen Reichling (Landkreis Landsberg am Lech) und Dießen am Ammersee erstreckt. Die Konzessionsfläche Lech umfasst nur sechs Quadratkilometer.
Bisher hatte Genexco nur die Bohrung „Kinsau 1A“ im Gebiet Lech konkret in Arbeit. Trotz zahlreicher Proteste soll auf dem Gelände der Gemeinde Reichling nach Erdgas gebohrt werden. Derzeit wird der Bohrplatz von Baggern vorbereitet, voraussichtlich im ersten Quartal 2025 soll dann ein etwa 40 Meter hoher Bohrturm errichtet werden. Das Unternehmen vermutet in rund 3.000 Metern Tiefe relevante Gasvorkommen. „Reichling ist nur ein Türöffner für ein viel größeres Projekt“, sagte Greenpeace-Landesbürochef Krug.
Seit den 1950er Jahren wurden laut Ministerium im bayerischen Alpenland fast 60 Gasfelder entdeckt – viele Vorkommen sind längst ausgebeutet. Bayern konnte in den 1970er Jahren etwa 30 Prozent seines Gasbedarfs aus heimischen Lagerstätten decken, inzwischen sind es nur noch 0,1 Prozent. Seit vielen Jahren stagniert die Gasförderung auf sehr niedrigem Niveau. Nur von der Lagerstätte Inzenham-West bei Rosenheim wird bislang Gas gefördert.
Um Gasbohrungen in Bayern zu verhindern, haben die beiden Umweltverbände gemeinsam mit Fridays For Future (FFF) eine landesweite Petition an Aiwanger gestartet.
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