Der importierte Superstar Eileen Gu stieg mit dem zweiten Gold endgültig zu Chinas Gesicht der Winterspiele von Peking auf, das perfekte Lächeln des Teenagers verdrängte sogar die bisweilen peinlichen Auftritte der Gastgeber.
Die erst seit 2019 für das Riesenreich startende 18-Jährige hatte abgeliefert - ihre eigenen, aber vor allem die Erwartungen der Staatsführung erfüllt. Mit zweimal Gold und einmal Silber trug die Ski-Freestylerin maßgeblich zur besten Bilanz der Volksrepublik bei Winterspielen bei. Bei allem Glanz von Gu bleibt indes auch eine Vielzahl skurriler Auftritte hängen.
Doch womöglich dürfte sich in ein paar Jahren kaum noch einer an so manchen abgehängten Biathleten oder nicht besonders weit gehüpften Skispringer erinnern. An Gu sehr wohl. Die gebürtige Amerikanerin, die für das Heimatland ihrer Mutter antrat, war eine der schillerndsten Figuren dieser Spiele. Begab sie sich nach ihren Wettkämpfen auf den Weg zu den Interviews, rannten sich die Reporter gegenseitig fast über den Haufen. Die Botschaften, die sie sendete, dürften sich für Chinas Staatschef Xi Jinping wie Musik in den Ohren angehört haben.
„Mein größtes Ziel ist es, junge Mädchen für den Sport zu begeistern“, sagte Gu nach ihrem Medaillen-Hattrick. „Ich hoffe, dass ich durch meine Erfolge dazu beitragen kann, dass Ski-Freestyle in China populärer wird. Es waren die intensivsten zwei Wochen meines Lebens.“ So hatte Xi sich das vorgestellt. China sollte nicht nur Gastgeber sein, sondern endlich auch Gewinner. Bei 14 Medaillen stand das chinesische Team nach Gus Gold am Freitag. Mehr als elf wie 2006 in Turin oder 2010 in Vancouver waren es zuvor im Winter nie.
30 Jahre nachdem Eisschnellläuferin Ye Qiaobo mit Silber in Albertville Chinas erste Plakette bei Winterspielen geholt hat, ist das Land noch weit davon entfernt, eine Wintersportnation zu sein. Dank eines massiven staatlichen Sportprogramms, der Einbürgerung ausländischer Spitzenathleten und dem Einsatz von fast 100 Trainern aus dem Ausland war es zumindest bei einigen Wettkämpfen in Peking, Yanqing und Zhangjiakou durchaus konkurrenzfähig. Neben Gu räumten auch die Ski-Kunstspringer wieder mal ab: Gold im Einzel der Damen und Herren, Silber im Teamevent. Auch im Shorttrack, Eisschnelllauf und auf dem Snowboard gab's Siege für die Gastgeber.
Sportfunktionärin Yang Yang, die als Shorttrackerin 2002 in Salt Lake City Chinas erstes Gold bei Winterspielen holte, schwärmte. „20 Jahre später schocken chinesische Sportler die Welt mit ihrem hartnäckigen Kampf und ihrer perfekten Leistung“, sagte sie der Zeitung „Guangming Ribao“. Chinas Team, das aus rund 180 Athletinnen und Athleten und damit mehr als doppelt so vielen wie 2018 in Pyeongchang besteht, bringe „Fortschritt und Hoffnung“. Zumindest teilweise trifft das zu.
Im Eiskanal wurden die millionenschweren Investitionen bislang aber nur mit einer Medaille belohnt: Skeletoni Yan Wengang, der in einer internen Qualifikation überraschend Chinas ersten Weltcupsieger Geng Wenqiang ausgestochen hatte, holte Bronze. Mehr war auch mithilfe des deutschen Ex-Weltmeisters und renommierten Schlittenbauers Willi Schneider nicht drin. Chinas Bobfahrer wurden unter anderem vom viermaligen Olympiasieger André Lange, der aus persönlichen Gründen aktuell allerdings nicht vor Ort ist, auf die Spiele vorbereitet - mit geringen Erfolgsaussichten.
Im Skispringen, beim Langlauf, in der Nordischen Kombination oder in den alpinen Skiwettbewerben blieb diese aus. Von den ausgewählten Fans auf den Tribünen, die - oft angeleitet von einer Art Vorsänger - rhythmisch klatschten, jubelten und Fähnchen schwenkten, gab es für die chinesischen Sportler zwar viel Unterstützung, auf der Schanze, in der Loipe oder am Abfahrtshang aber so gut wie nichts zu ernten.
Im Biathlon reichte es trotz des teuer eingekauften Trainers Ole Einar Björndalen und dessen Frau Darja Domratschewa zu keinem Top-Ten-Platz. Das mit Amerikanern, Kanadiern und einem Russen verstärkte chinesische Eishockey-Team der Männer kassierte nur Niederlagen. Doch all das scheint im Schatten von Skistar, Model und Werbeikone Gu zu verblassen. Chinas Gesicht dieser Spiele.
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