Nach der Vollgas-WM mit vier Medaillen in sieben Tagen war Lea Sophie Friedrich reif für den Urlaub. „Zwei Wochen Ibiza und Frankreich, darauf freue ich mich schon“, sagte die 23-Jährige, nachdem sie zum Abschluss der Bahnrad-Wettbewerbe im Chris Hoy Velodrome von Glasgow nur haarscharf am WM-Thron in der Königsdisziplin Sprint vorbeigeschrammt war.
Das sollte ihre WM-Bilanz aber kaum schmälern, gerade mit Blick auf Olympia 2024: „Der Rückenwind für Paris ist sehr stark. Ich nehme das Turnier sehr gerne mit und werde neue Kraft daraus schöpfen. Ich gehe stärker aus dem Wettkampf hervor.“
Gold im Teamsprint, Silber im Einzel-Sprint und je zweimal Bronze im Keirin und im 500-Meter-Zeitfahren - Friedrich hat in Glasgow abgeliefert. Auch mental scheint die gebürtige Mecklenburgerin einen weiteren Schritt gemacht zu haben. „Ich weiß auch, dass die Gegner immer auf einen schauen, weil sie wissen, dass wir Deutsche immer konstant oben waren. Das merkt man auch. Das muss man taktisch miteinfließen lassen“, erklärte die achtmalige Weltmeisterin.
Allmählich scheinen sich auch die Kräfteverhältnisse im deutschen Team ein wenig verschoben zu haben. War Friedrich in der Vergangenheit eher aus dem Windschatten der zwei Jahre älteren Vorzeige-Sprinterin Emma Hinze zu ihren Erfolgen gekommen, macht sie aktuell den stabileren Eindruck. Hinze sprintete als Vierte wie zuvor im Keirin an einer Medaille vorbei und zeigte sich enttäuscht: „Der vierte Platz tut schon weh. Das hat mich an Olympia erinnert. Im ersten Moment habe ich so ein Déjà-vu.“ Die Luft sei raus gewesen nach ihren zwei Titeln im Teamsprint und über 500 Meter.
Immerhin erlebte Hinze den Stimmungsdämpfer ein Jahr vor Olympia. In Tokio war sie als Dreifach-Weltmeisterin angereist, was wie ein riesiger Ballast auf ihren Schultern wirkte. Am Ende hatte es „nur“ zu Silber im Teamsprint mit Friedrich gereicht. „Im Sport ist Sieg und Niederlage dicht beieinander. Ich weiß auch, wie es sich anfühlt, wenn man gewinnt“, sagte die gebürtige Hildesheimerin.
Bundestrainer Jan van Eijden verwies auf das mittlerweile hohe Niveau im Frauen-Sprint. Auch wenn Friedrich und Hinze mit je acht Goldmedaillen in der ewigen Bestenliste noch einen Titel hinter der von van Eijden einst trainierten Top-Sprinterin Victoria Pendleton aus Großbritannien liegen, seien sie „leistungsmäßig da drüber“.
Das sei vor 15 Jahren eine andere Ära gewesen und nicht vergleichbar. „2008 waren es drei, vier Frauen, die um die Medaillen gefahren sind, jetzt sind es 10 oder 15“, sagte van Eijden. Rekord-Weltmeisterin ist übrigens die heute querschnittsgelähmte Kristina Vogel mit elf WM-Titeln, genauso wie die Australierin Anna Meares.
Die Sprinterinnen seien im Soll, das müsse bis Olympia nur noch verfeinert werden, um das absolute Top-Niveau herauszuholen, so van Eijden. Bei seinen Sprintern hat er da noch mehr Arbeit. In Glasgow gab es keine Medaille.
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