Eulenflug: Unbeschwerte Stimmung nur an den ersten beiden Tagen | FLZ.de

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Veröffentlicht am 28.08.2022 15:04

Eulenflug: Unbeschwerte Stimmung nur an den ersten beiden Tagen

Die Eule erwacht zum Leben. (Foto: Johannes Zimmermann )
Die Eule erwacht zum Leben. (Foto: Johannes Zimmermann )
Die Eule erwacht zum Leben. (Foto: Johannes Zimmermann )

Ein kleines Waldstück zwischen Nordenberg und Linden in der Gemeinde Windelsbach (Landkreis Ansbach) ist an diesem Wochenende Schauplatz für ein besonders buntes Fest. Elektronische Beats, Laptop und Mixer statt Schlagzeug und Geige. So etwas erlebt Westmittelfranken nicht allzu häufig. Am Freitag und am Samstag war die Stimmung ausgelassen - bis am Sonntagmorgen der Tod eines 24-Jährigen bekannt wurde.

Eine Tanz-Trance, die den Alltag vergessen lässt – in diesen schweren Zeiten ein kleiner Urlaub für Geist und Gehirn. Eine Parallelgesellschaft eben, ausverkauft seit Wochen. Und der Erlös dient auch noch einem guten Zweck. „Der Eulenflug steht ausschließlich auf ehrenamtlichen Füßen, niemand bereichert sich. Es geht ausschließlich darum, die Kosten zu decken“, heißt es seitens der Veranstalter.

Dem Grenzkunst-Verein ist es wieder einmal gelungen, ein Kleinod aufzubauen – voller silberner Gartenzwerge, Glitzer, bunter Lichter und freudestrahlender Gesichter. Welch liebevolle, zeitaufwendige Arbeit bis ins kleinste Details dahintersteckt, lässt vor allem die Bühnen-Gestaltung erahnen. Hier leuchten Lampions am Zelthimmel. Dort erwacht eine hölzerne Eule, stellvertretend für den Festivalnamen, zum Leben. Das Zauberwäldchen wird in den buntesten Farben angestrahlt. Künstler malen am Rande des Weges live an ihren Bildern. Sogar die Bar wird zum designerischen Höhepunkt. Industrielampe trifft Orientteppich. Eine grandiose Atmosphäre.

Wer bei Techno und elektronischer Tanzmusik nun musikalisch stumpfes utz, utz, utz erwartet, dem sei gesagt: weit gefehlt. Elektronische Musik kann so viel mehr sein, wenn sich die Downtempo-Königin Martha van Straaten die Ehre gibt oder wenn der Disc-Jockey Pophop eine kleine Genre-Reise unternimmt – da mischen sich orientalische Klänge mit Blues-Anleihen. Schön, langsam, gediegen.

Eine Idee Balkan und ein Schimmer Jazz

JPattersson greift zu Trompete und Mikrofon, bietet seinen ganz eigenen Stil – irgendwo zwischen Dub, Reggae und Techno. An manchen Stellen blitzt eine Idee Balkan-Sound hervor, an anderen ein Schimmer von Jazz. Großartig. Da bleibt die Menge treu, obwohl der Himmel seine Schleusen öffnet. Am späteren Abend nähert sich der Sound dann dem Berliner Techno-Kellerklub. Annett Gapstream und Pauli Pocket steigern den Härtegrad. Ein gelungener Auftakt am Freitag. Was auffällt: Viele Frauen stehen an diesem Wochenende auf der Bühne.

Oder El Mundo und Zazou aus Berlin: Klavierparts werden von sanften Basslinien umgarnt, Zazou spielt Gitarre und singt, El Mundo schraubt live die Beats. Es ist Wohlfühlmusik zum Abschalten, weltoffen, mit viel Gefühl – Kopf aus, schwelgen in einer besseren Welt. Eine Zwei-Mann-Band. Weltmusik trifft auf Elektronisches. Als Monkeybrain sein Set, wie es bei ihm Tradition ist, mit dem Titelsong von König der Löwen beginnt, schwebt ein Hauch Filmmusik durch den beleuchteten Wald.

House, Downtempo-Elemente und Disco treffen auf technoide Sequenzen: Das zeichnet den Wahl-Berliner Kalipo aus. Die Musik hat Jakob Häglsperger, wie er bürgerlich heißt, selbst eingespielt – mit Synthesizern, Mikrosamplern und Live-Instrumenten, alles Eigenproduktionen.

Bei Kalipo, der Mitglied der bekannten bayerischen Electro-Punk-Band Frittenbude ist, passiert auf der Bühne viel. Ein ganzes Sammelsurium an Equipment steht parat. Mal wird hier ein Pad gedrückt, dann dort auf einer Klaviatur gespielt. Häglsperger führt eben nicht nur die einzelnen Tonspuren zusammen, sondern ergänzt Effekte, Melodielinien, hier und da Schlagwerk. Ein melancholisch-gefühlvolles Gesamtkunstwerk, das sowohl zu einem regnerischen Couch-Sonntag als auch zur tänzerischen Primetime Samstagabend oder -nacht passt. Ein unverwechselbarer Stil, der gefällt.

Beim Eulenflug treten Größen der elektronischen Subkultur auf – ein Lineup, das man so sonst nur aus der Techno-Hauptstadt Berlin kennt, von den dortigen Szene-Treffs. Kein Wunder also, dass da so mancher aus der Bundeshauptstadt die weite Reise ins beschauliche Frankenland auf sich nimmt. Berlin, Österreich, Schweiz, Freiburg, Crailsheim – die Autokennzeichen beweisen: In Linden ist die Welt eben zu Gast bei Freunden.

Johannes Zimmermann


Von Johannes Zimmermann (j.zimmermann@flz.de)
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