EnBW-Vorstandschef Andreas Schell hat im Streit um den weiteren Kurs des Energieversorgers überraschend seinen Hut genommen. Der 54-Jährige habe sein Amt mit Wirkung zum Ablauf des 8. März 2024 niedergelegt, teilte das Unternehmen in Karlsruhe mit. Der Aufsichtsrat habe der Entscheidung in einer außerordentlichen Sitzung zugestimmt.
Schell hatte den Chefposten beim drittgrößten Energieversorger Deutschlands erst im November 2022, inmitten der Energiekrise, angetreten - mit einer Vertragslaufzeit von drei Jahren. An die Konzernspitze rückt nun Vorstandsmitglied Georg Stamatelopoulos, der bisher bei EnBW für das Thema Nachhaltigkeit verantwortlich war.
Wesentlicher Grund für den Wechsel waren den Angaben nach Meinungsverschiedenheiten. Zwischen dem Aufsichtsrat und Schell habe es in entscheidenden Fragen der strategischen Weiterentwicklung des Unternehmens unterschiedliche Auffassungen gegeben. Der EnBW-Aufsichtsratsvorsitzende Lutz Feldmann teilte mit: „Trotz intensiver Diskussionen konnte in den vergangenen Monaten keine Einigkeit (...) erzielt werden.“ Man bedauere den Schritt, der im gegenseitigen Einvernehmen stattfinde.
Unter Schell-Vorgänger Frank Mastiaux hatte EnBW den Atomausstieg eingeläutet, konsequent umgesetzt und stark in erneuerbare Energien investiert. Dennoch spielen Kohle und Gas weiter eine große Rolle. Das wurde einmal mehr durch die Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine deutlich. Dennoch hatte EnBW vor rund einem Jahr verkündet, schon 2028 aus der Kohle aussteigen zu wollen.
Schell führte den Kurs von Mastiaux weiter - betonte aber auch, dass dafür die politischen Rahmenbedingungen stimmen müssten. Das betrifft etwa die Kraftwerkstrategie der Bundesregierung, die lange auf sich warten ließ, erste Pläne des Wirtschaftsministeriums dazu greifen aus Sicht der EnBW zudem zu kurz. Anfang des Monats hatte die EnBW Regina Wilde als neue Strategiechefin ins Haus geholt. Eine Woche später folgte nun der Abgang Schells.
EnBW ist seit 2011 größtenteils im Besitz der öffentlichen Hand. Das Land Baden-Württemberg sowie der Zusammenschluss OEW von neun oberschwäbischen Landkreisen halten je fast 47 Prozent an dem Konzern. Entsprechend vielschichtig sind auch die Positionen und Forderungen im Aufsichtsrat, in dem unter anderem Landräte, Gewerkschafter und Vertreter der Industrie sitzen.
Der neue Vorstandschef Stamatelopoulos kennt den Markt und die EnBW seit Jahren. Seit Juni 2021 verantwortet er das Ressort „Nachhaltige Erzeugungsinfrastruktur“ im Vorstand und ist noch viel länger im Konzern mit dem Thema befasst: „Georg Stamatelopoulos hat in den vergangenen fast 15 Jahren bei der EnBW den Umbau der Erzeugung in verschiedenen Positionen äußerst erfolgreich vorangetrieben“, wird Feldmann in der Mitteilung zitiert.
EnBW hat rund 5,5 Millionen Kundinnen und Kunden. Die Geschäfte liefen zuletzt gut: 2022 hatte das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen 3,29 Milliarden Euro betragen - 11 Prozent mehr als im Vorjahr. Jüngsten Prognose zufolge erwartet der Konzern für das abgelaufene Geschäftsjahr einen Anstieg auf bis zu 6,5 Milliarden Euro. Die Bilanz für 2023 soll Ende März vorgelegt werden. Den langjährigen EnBW-Finanzvorstand Thomas Kusterer ernannte der Aufsichtsrat im Übrigen zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden - zunächst bis Ende März 2029.
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