Man würde bei diesen Themen eine andere Provenienz vermuten: Liebeskomödien aus Frankreich gibt es wie Sand am Meer; um Sex geht es in so mancher US-Komödie; auch der ein oder andere deutsche Streifen hat sich schon des Themas angenommen.
„Die Nachbarn von oben“ aber, diese prickelnde Paar-Komödie, sie kommt aus der Schweiz. In der Originalversion sprechen die vier Protagonisten Schwyzerdütsch; es gibt eine synchronisierte Variante in Hochdeutsch. Regie führte Sabine Boss (geboren 1966 im Kanton Aargau).
Es geht um zwei übereinander beziehungsweise untereinander wohnende Schweizer Großstadtpaare - nicht sehr wohlhabend und doch irgendwie bürgerlich. Es geht um allnächtlich nach unten zu Anna und Thomas (Ursina Lardi und Roeland Wiesnekker) schallende Sexgeräusche des jüngeren Paars Lisa und Salvi (Sarah Spale und Max Simonischek).
Der geräuschstarke Geschlechtsverkehr lässt bei Anna und Thomas nicht nur regelmäßig manch Möbelstück wackeln. Er erschüttert die beiden auch hinsichtlich der eigenen Beziehung: Warum sind wir nicht so liebeshungrig wie die? Ist es spießig, sich über Sex-Lärm aufzuregen? Darf man vielleicht gar die Polizei (Gendarmerie) informieren?
Während Thomas, vormaliger Konzertpianist, heute Musiklehrer, auf Konfrontationskurs ist, setzt Anna auf Kommunikation: Sie lädt die Nachbarn zum Apéro ein; ein Treffen, auf das der vom Leben gelangweilte Thomas überhaupt keine Lust hat. Nach Small Talk eskaliert die Lage auch tatsächlich recht schnell.
„Erst Häppchen, dann Orgie, jetzt Paartherapie“: So bringt das Skript auf den Punkt, was sich hier abspielt. Die Orgie freilich, so viel sei verraten, bleibt aus. Auch wenn es bis zum Ende spannend bleibt, ob die vier nicht doch irgendwann nackt übereinander herfallen.
Manches ist vorhersehbar in diesem Film; darunter auch die Figurenzeichnung: Hier die leicht verkrampfte Anna, dort die jüngere, deutliche lässigere Nachbarin (die zudem ein Buch verfasst hat, welches schon im Titel dazu aufruft, sich doch endlich von seinem Partner zu trennen). Da der lässige, durchtrainierte Feuerwehrmann; hier der in die Breite gegangene Familien-Papa, der sich am liebsten aufs Dach verkrümelt, hin zu seinem geliebten Teleskop.
Was diesen Film rettet, ist sein gut dosierter Humor. Nie nimmt er sich zu ernst. Unzählige Komödien gibt es, die das Paarleben ins Grotesk-Alberne befördern; manch deutschsprachige Arthouse-Produktion zum Thema Liebe verliert sich in allzu düsteren Tönen.
Regisseurin Boss aber hält über 88 Minuten irgendwie die Balance - nimmt das durchaus ernste Thema (Was bleibt nach zwanzigjährigem Zusammensein? Gibt es noch gemeinsame Ziele?) auch wirklich ernst; ohne das Lustig-Groteske dieser bisweilen wie eine Versuchsanordnung ausschauenden Paar-Konfrontation zu vergessen.
Schön etwa: Thomas macht sich einen Spaß daraus, den gut gebauten Feuerwehrmann mit „Schlauch“ anzureden. Ein ambivalenter Kosename, der die Geringschätzung des kultivierten Pianisten für den simpler gestrickten Feuer-Löscher ebenso zum Ausdruck bringt wie den Neid des Bildungsbürgers auf einen vermeintlich besser bestückten sexgeilen Nachbarn.
Dass der große kathartische Moment, den man zuweilen herbeisehnt, diesmal ausbleibt (einem brennenden Piano zum Trotz) mag man dem Film, je nach Vorliebe, als Schwäche oder Stärke auslegen.
Bleibt der leicht lendenlahme Filmtitel, der dem Erfolg dieser sympathischen, wiewohl nicht gänzlich ausgegorenen, helvetischen Komödie indes kaum im Weg stehen sollte.
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