Ein Miniwachstum zu Jahresbeginn nährt die Hoffnung auf eine Erholung der deutschen Wirtschaft nach der Flaute 2023. Statt des lange befürchteten erneuten Dämpfers legte die Wirtschaftsleistung in den ersten drei Monaten um 0,2 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt auf vorläufiger Basis errechnet hat. Auch jüngste Stimmungsumfragen deuten darauf hin, dass die Zuversicht wächst.
Allerdings: Große Sprünge wird Europas größte Volkswirtschaft beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach Einschätzung von Ökonomen im laufenden Jahr nicht machen. Der schwächelnde Welthandel bremst die Exportnation Deutschland ebenso wie ein Investitionsstau im eigenen Land.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warb erneut für eine Reform der Schuldenbremse, um ein „kurzfristiges, aber wuchtiges Entlastungsprogramm“ für die deutsche Wirtschaft zu finanzieren. „Wenn ich jetzt also könnte, wie ich wollte, dann würde ich sagen: Lass uns den Stier bei den Hörnern packen und jetzt investieren wir“, sagte der Grünen-Politiker am Montagabend in Kassel. Politische Mehrheiten gibt es dafür jedoch derzeit nicht - nicht einmal in der Ampelkoalition, in der die FDP jedwede Änderung der seit 2009 im Grundgesetz verankerten Begrenzung der Aufnahme neuer Kredite vehement ablehnt.
Das Wachstum in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres wurde nach Angaben der Wiesbadener Statistiker von den - dank milder Witterung - steigenden Bauinvestitionen und einem Anziehen der Exporte getragen. Die privaten Konsumausgaben hingegen gingen zurück.
Immerhin: Im April hat sich die Stimmung im Einzelhandel etwas verbessert, wie das Münchner Ifo-Institut erhoben hat. Zudem berichtete das Statistische Bundesamt von steigenden Umsätzen in der Branche im März. „Die jüngsten Anstiege der realen Einkommen beleben den Konsum“, ordnete Patrick Höppner vom Ifo-Institut ein. „Die konsumnahen Branchen werden 2024 voraussichtlich eine Stütze für die Gesamtwirtschaft sein.“
Die Stimmung in den Betrieben hellte sich im April ebenfalls auf: Der Ifo-Geschäftsklimaindex, für den regelmäßig etwa 9000 Unternehmen befragt werden, stieg den dritten Monat in Folge. Die Bundesregierung hob jüngst ihre Wachstumserwartungen für das Gesamtjahr 2024 leicht von 0,2 Prozent auf 0,3 Prozent an.
„Der Zyklus hat definitiv begonnen, sich zum Besseren zu wenden“, konstatierte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Auch nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hat die deutsche Wirtschaft das Gröbste hinter sich: „Nach dem schwachen Winterhalbjahr mehren sich die Anzeichen für einen Anstieg der Wirtschaftsleistung auch im zweiten Quartal 2024 und damit eine Erholung der deutschen Wirtschaft. Dass die Inflation nachlässt, die verfügbaren Einkommen steigen und eine erste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank wohl nicht mehr weit entfernt ist, dürfte für Zuversicht sorgen.“
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer rechnet trotz wachsender Zuversicht weiterhin „nur mit einer moderaten Erholung“ im laufenden Jahr - „auch weil die Standortqualität seit vielen Jahren erodiert und die Bundesregierung nicht entschieden gegensteuert“. Ulrich Kater, Chefökonom der Dekabank, bekräftigte mit Blick auf die vorsichtigen Konjunkturprognosen: „Ohne wachstumsfördernde Reformen werden wir uns (...) an solche niedrigen Werte gewöhnen müssen.“
Führende Wirtschaftsforschungsinstitute trauen Deutschland im Gesamtjahr 2024 nach jüngsten Prognosen gerade mal ein Wachstum von 0,1 Prozent zu. Zwar dürfte nach ihrer Einschätzung ab dem Frühjahr eine konjunkturelle Erholung einsetzen, die Dynamik werde aber nicht allzu groß ausfallen. Auf den Weltmärkten fällt China als Wachstumstreiber weiterhin aus, im lnland könnte die erwartete Zunahme von Firmenpleiten den Arbeitsmarkt belasten.
Noch zeigt sich der deutsche Arbeitsmarkt robust, auch wenn die Zahl der Arbeitslosen im April im Vergleich zum März nur um 20 000 auf 2,750 Millionen sank und die Arbeitslosenquote unverändert bei 6,0 Prozent blieb. „Dem Arbeitsmarkt fehlt nach wie vor der konjunkturelle Rückenwind. Somit bleibt die Frühjahrsbelebung schwach“, sagte Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA), am Dienstag in Nürnberg. „Obwohl die deutsche Wirtschaft seit zwei Jahren nicht in Tritt kommt, ist die Situation am Arbeitsmarkt aber weiterhin robust.“
Im ersten Quartal legten die vier größten Volkswirtschaften im Euroraum alle zu, wie das Statistikamt Eurostat mitteilte. Deutschland und Frankreich mit jeweils 0,2 Prozent Wachstum zum Vorquartal wurden jedoch von Italien (plus 0,3 Prozent) und Spanien (plus 0,7 Prozent) überflügelt. Insgesamt legte das Bruttoinlandsprodukt im Euroraum im ersten Quartal zum Vorquartal demnach um 0,3 Prozent zu.
In Deutschland war das BIP zum Jahresende 2023 im Vergleich zum Vorquartal preis-, kalender- und saisonbereinigt nach neuester Berechnung des Statistischen Bundesamtes um 0,5 Prozent gesunken. Im Gesamtjahr 2023 war Deutschland mit einem revidierten Minus von preisbereinigt 0,2 Prozent in eine leichte Rezession gerutscht. Die exportorientierte deutsche Wirtschaft bekam die Abkühlung der Weltkonjunktur ebenso zu spüren wie die zeitweise hohen Energiepreise und die rasant gestiegenen Zinsen. Zudem fehlen Fachkräfte und Unternehmen klagen über zu viel Bürokratie.
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