In deutschen Großstädten sind im laufenden Jahr kaum neue Busspuren ausgewiesen worden. Das geht aus einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter ausgewählten Städten hervor. Busspuren gelten als eine günstige Möglichkeit, um das Angebot an Öffentlichem Personennahverkehr zu verbessern und Fahrzeiten zu verkürzen, da für sie keine großen Bautätigkeiten nötig sind.
In Berlin, Köln, Stuttgart und Bremen sind 2023 keine Busspuren neu entstanden. In München kamen 1,5 Kilometer neu dazu, in Düsseldorf wurde eine 170 Meter lange provisorische Spur geschaffen. Die Städte Hamburg und Hannover nehmen keine jährliche Auswertung vor.
Konkrete Pläne für neue Busspuren nannten die meisten Städte nicht. „Die Pläne für die Zukunft sind die Realisierung von weiteren Umweltspuren (Bus und Rad frei) im Zuge von Radverkehrsplanungen“, heißt es beispielsweise eher unkonkret von der Stadt Stuttgart. Die Stadt Düsseldorf setzt eigenen Angaben zufolge künftig auf „intelligente Mischlösungen“ mit Sonderspuren oder gesonderten Ampelschaltungen.
Die Stadt München hat nach Angaben der Stadtwerke seit 2018 drei Maßnahmenbündel für den Busverkehr beschlossen, ein weiteres soll 2024 folgen. Seit 2018 entstanden demnach neue Busspuren auf einer Länge von 5,9 Kilometern. In Berlin kam zwar dieses Jahr keine neue Busspur hinzu, dafür aber in den Jahren 2020 und 2021 mehr als 18 Kilometer. 2022 waren es 2,8 Kilometer.
Busspuren gehören für Verkehrsexperten zu den Maßnahmen, mit denen die Verkehrswende vorangebracht werden kann. „Der Busverkehr steht bislang zu Unrecht im Schatten des Schienenverkehrs. Nahezu die Hälfte der 5,2 Milliarden Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr im ersten Halbjahr 2023 waren in Bussen unterwegs“, sagt Philipp Kosok von der Denkfabrik Agora Verkehrswende.
„Durch Busspuren werden die vorhandenen Straßen effizienter genutzt. Fahrgäste kommen schneller und zuverlässiger ans Ziel. Mit eigener Spur sind Busse fast ebenso leistungsstark wie eine moderne Straßenbahnstrecke“, so Kosok. Insgesamt werde dem Busverkehr aber nur wenig Platz auf der Straße eingeräumt.
Das wird auch in den Rückmeldungen der Großstädte immer wieder deutlich: Neue Busspuren könnten nur an wenigen Stellen eingerichtet werden, weil der Platz begrenzt sei. Spuren für Autos oder Parkplätze müssten wegfallen.
Auch rechtliche Fragen stehen der Ausweisung neuer Bussonderfahrstreifen zum Teil im Weg. „Die aktuell größte Hürde liegt in der derzeitigen Rechtslage, teilte etwa die Verkehrsverwaltung des Landes Berlin mit. Eigentlich sollte das Straßenverkehrsgesetz und in der Folge auch die Straßenverkehrsordnung geändert werden, um etwa für die Einrichtung von Busspuren oder Tempo-30-Zonen mehr Spielraum zu ermöglichen. Doch die Reform scheiterte Ende November im Bundesrat.
Neben der Leichtigkeit und der Sicherheit im Verkehr sollte etwa auch der Klima- und Umweltschutz als Ziel ins Gesetz aufgenommen werden. Wie es mit der Reform nun weitergeht, ist offen.
Rolf Erfurt ist überzeugt, dass mehr Busspuren und weitere Maßnahme für den Busverkehr auch mit Blick auf den Fachkräftemangel helfen können. Busfahrerinnen und Busfahrer werden händeringend gesucht. „Wenn wir flüssiger durch diese Stadt kommen, brauchen wir einfach auch weniger Personal“, sagt Erfurt, Vorstand Betrieb bei den Berliner Verkehrsbetrieben. Dem BVG als größtem Nahverkehrsunternehmen in Deutschland fehlen aktuell ungefähr 350 Busfahrerinnen und Busfahrer.
Mit den Personalsorgen sind die Berliner keineswegs allein: Nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ist mehr als die Hälfte aller Busfahrerinnen und Busfahrer in Deutschland älter als 50 Jahre. Bis 2030 werden dem Verband zufolge jährlich bis zu 6000 von ihnen in den Ruhestand wechseln - so viele Neue werden aber absehbar nicht nachkommen. Für die Verkehrswende muss der ÖPNV zudem ausgebaut werden - es braucht also noch mehr Fahrer.
„Eine Verringerung der geplanten Reisegeschwindigkeit um einen Stundenkilometer hat einen Personalmehrbedarf von etwa 100 Fahrpersonalen zur Folge“, rechnete die BVG kürzlich vor. Dem Unternehmen zufolge wurde für den regulären Fahrplan eine Geschwindigkeit von im Schnitt 18,9 Stundenkilometer zugrunde gelegt. Auf den vollen Straßen sind die aber nicht zu machen - die BVG-Busse sind den Angaben zufolge mit durchschnittlich 17,8 Kilometern pro Stunde unterwegs. Aufgrund des Personalmangels hat die BVG inzwischen ihre Fahrpläne ausgedünnt und bietet derzeit 6 Prozent weniger Busverkehr an als eigentlich vorgesehen und vom Land Berlin bestellt.
Thomas Richter von der Technischen Universität Berlin will die Bedeutung der Busspuren aber nicht zu hoch hängen. „Sie sind richtig und wichtig, aber man muss genau prüfen, wo man sie einsetzt“, sagt Richter, der an der TU das Fachgebiet Straßenplanung und Straßenbetrieb am Institut für Land- und Seeverkehr leitet. S- und U-Bahnen seien schneller und meist auch zuverlässiger unterwegs und könnten zudem deutlich mehr Menschen transportieren.
Zudem hätten die Bahnen den Vorteil, dass sie nach Möglichkeit motorisierten Verkehr von der begrenzten Straßenfläche nähmen. Dafür müssen die Strecken aber aufwendig gebaut werden - was zusammen mit den nötigen Verfahren vorab schnell ein Jahrzehnt dauert. „Man kann sicher noch einige Busspuren einführen, aber da, wo sie wichtig sind, gibt es sie vielerorts auch schon“, sagt Richter.
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