Der Graben ist ausgehoben, die Baumaschinen laufen: Bauarbeiter haben die ersten Kabel für die Stromautobahn Suedlink im niedersächsischen Landkreis Rotenburg (Wümme) verlegt. Die Trasse soll künftig grünen Strom aus dem windreichen Norden nach Süddeutschland transportieren. „Mit dem Kabeleinzug wird Suedlink Kilometer für Kilometer Realität“, betont Tim Meyerjürgens, Manager beim Betreiber Tennet.
Nach der Abschaltung der Atomkraftwerke und dem Kohleausstieg sind insbesondere Bayern und Baden-Württemberg auf Windkraft aus dem Norden angewiesen. Experten halten den Ausbau des Stromnetzes im Zuge der Energiewende für notwendig. Bürgerinitiativen und Aktionsbündnisse hingegen haben immer wieder Bedenken an dem Megaprojekt geäußert und mit Klagen gedroht. Sie fürchten unter anderem negative Auswirkungen auf Landwirtschaft und Umwelt.
Die Kabelarbeiten starten in der Gemeinde Heeslingen, auf einer Strecke von rund zwölf Kilometern sind dort bisher Leitungen verlegt worden. „Wir stehen momentan ganz am Anfang der Kabelinstallation, fahren die Aktivitäten Stück für Stück hoch“, sagte ein Tennet-Sprecher. Mehr als 2.400 Kilometer Kabel sollen quer durch Deutschland verlegt werden.
Die Stromtrasse führt durch sechs Bundesländer: von Schleswig-Holstein über Niedersachsen, Hessen und Thüringen bis nach Bayern und Baden-Württemberg. Genau genommen handelt es sich bei Suedlink um zwei Stromverbindungen mit vier Kabeln: Sie beginnen in Wilster und Brunsbüttel in Schleswig-Holstein, vereinen sich unter der Elbe und verzweigen sich wieder in Süddeutschland. Zwei Kabel enden in Bergrheinfeld in Bayern, die anderen beiden in Leingarten in Baden-Württemberg.
Schon jetzt werde an einigen Orten gegraben und gebohrt, sagte Thorsten Dietz, Direktor für Gleichstromprojekte bei Tennet. Beispielsweise im Raum Heilbronn oder an der Elbe. Ab nächsten Jahr sollen es Dutzende Baustellen bundesweit sein. „Wir bauen Abschnitte, die wir nach und nach verbinden.“
Bis Strom fließt, dauert es noch mindestens vier Jahre. „Das ist nicht so wie im Autobahnbau, wo ich schon mal von Auffahrt zu Auffahrt was freigeben kann“, meint Dietz. „Suedlink kann nur in Betrieb gehen, wenn das Gesamtsystem fertig ist.“ Ende 2028 soll es so weit sein, sechs Jahre später als ursprünglich geplant.
Doch erst müssen die Kabel verlegt werden. Dafür wird nach Angaben des Unternehmens Schicht für Schicht ein Graben ausgebaggert. Das Erdkabel wird mit einem Schwertransporter geliefert, jeder Transport einer tonnenschweren Kabeltrommel braucht eine Sondergenehmigung.
Ein Kran hebt das Kabel schließlich in den etwa 1,3 Meter tiefen Tunnel. Dort wird es mit einem Seil gezogen, unter ständiger Beobachtung von drei Männern. Alle paar Schritte lupfen sie das Kabel mit einer Seilwinde über die nächste Halterung. Nur langsam kommen sie voran, schaffen etwa einen Meter pro Minute. Am Ende soll die Verbindung rund 700 Kilometer lang sein.
Wenn die Trasse Bahnstrecken, Straßen oder Flüsse kreuzt, wenden die Arbeiter für die Verlegung der Kabel ein spezielles Bohrverfahren an. Zuletzt wird der Graben wieder mit der Erde aufgefüllt. In wenigen Jahren soll von der Baustelle nichts mehr zu sehen sein. Die Flächen könnten dann ohne Einschränkungen landwirtschaftlich bewirtschaftet werden, versichert der Betreiber.
Die Stromautobahn soll rein rechnerisch zehn Millionen Haushalte mit Ökostrom versorgen. „Das ist die Energie, die ehemals vier große Kernkraftwerksblöcke erzeugt haben“, erklärt Dietz. Suedlink soll Gleichstrom transportieren. Dabei geht weniger Energie verloren als beim Transport von Wechselstrom. Konverter an den Endpunkten der Stromtrasse wandeln den Gleichstrom in Wechselstrom um. Für Planung und Bau im Norden des Landes ist Tennet zuständig, TransnetBW verantwortet Mittel- und Süddeutschland.
Bei der Verlegung von Erdkabeln wird weniger in das Landschaftsbild eingegriffen als bei Strommasten, es kostet allerdings viel Geld. Die Betreiber rechnen nach eigenen Angaben mit etwa zehn Milliarden Euro.
Was die künftige Inbetriebnahme von Suedlink für die Strompreise bedeutet, ist unklar. Fest steht, dass die Kosten des Projekts über Jahrzehnte auf die Netzentgelte umgelegt werden und damit bei den Verbrauchern landen. Gleichzeitig soll die neue Trasse Engpässe in der Stromversorgung verhindern - das spart Geld. Im besten Fall muss weder Strom dazugekauft werden, noch müssen zusätzliche Kraftwerke hochgefahren werden. Weniger Engpässe belasten den Geldbeutel damit weniger.
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