Apple geht in die Offensive beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Das iPhone und andere Geräte sollen das Leben der Nutzer ab Herbst mit neuen Funktionen vereinfachen: Verpasste E-Mails und Kurznachrichten zusammenfassen, individuelle Emoji-Symbole erstellen, Informationen auf Zuruf rausfischen.
Apple spielt dabei im KI-Wettlauf einen Trumpf aus, den kein Rivale hat: Mit dem iPhone, der Computer-Uhr Apple Watch oder seinen Mac-Computern hat der Konzern eine einzigartige Präsenz im Leben seiner Kunden. Das gibt Apple die Chance, durch den Zugang zu verschiedensten Daten der Nutzer für sie persönlich nützliche Antworten zu geben. Um zu unterstreichen, wie besonders das ist, schlüsselt der Konzern die gängige Abkürzung AI (Artificial Intelligence - Künstliche Intelligenz) bei seiner KI als „Apple Intelligence“ auf.
Ein Beispiel, das Software-Chef Craig Federighi bei der Entwicklerkonferenz WWDC nannte: Ein Arbeitstermin soll verschoben werden und er würde gern erfahren, ob er es dann immer noch zur Theater-Aufführung seiner Tochter schaffen würde. Um diese Frage zu beantworten, muss die Software unter anderem wissen, wo der verschobene Termin und die Aufführung sind - und anhand des Verkehrs die Fahrzeit berechnen.
Das sind alles Informationen, die über ein iPhone verstreut in verschiedenen Apps zu finden sein könnten: Kalender, Kurznachrichten, E-Mail, Karten. Das KI-Modell von Apple hätte systemübergreifend Zugriff darauf - und soll die Daten auch richtig einordnen können.
Und Apples Sprachassistentin Siri, die heute im Vergleich zu Chatbots wie ChatGPT reichlich antiquiert wirkt, könnte schließlich hilfreicher werden. So werde man zum Beispiel per Sprachbefehl Fotos bearbeiten oder eine neue Adresse eines Freundes direkt aus der Chat-App zu den Kontaktdaten hinzufügen können.
Zu den Neuerungen gehört unter anderem die Möglichkeit, individuelle Emojis schon beim Tippen eines Textes erstellen zu lassen. Apple nennt die Funktion „Genmoji“ - weil sie von KI generiert werden.
Mithilfe von KI soll auch die Mail-App schon in der Kurz-Übersicht statt der ersten Zeilen eine Kurz-Zusammenfassung anzeigen. Da „Apple Intelligence“ zudem den Inhalt von E-Mails und Nachrichten verstehe, könne die Software auch abwägen, ob sie wichtig seien und mit Priorität angezeigt werden sollten.
Konzernchef Tim Cook räumte ein, dass die Software Fehler machen könne. Er sei „nicht zu 100 Prozent“ sicher, dass „Apple Intelligence“ frei von den sogenannten KI-Halluzinationen sein werde, sagte er der „Washington Post“. So werden die Fehler genannt, bei denen KI-Programme völlig falsche Angaben machen. Apple habe aber alle bekannten Maßnahmen ergriffen, um das zu verhindern, betonte Cook. Daher sei er zuversichtlich, dass die Ergebnisse von hoher Qualität sein werden. „Aber in aller Ehrlichkeit, unter 100 Prozent.“
Ein Haken ist, dass viele iPhones, die heute in den Händen der Nutzer sind, nicht genug Rechenpower für die neuen KI-Funktionen haben. Es muss eines der kommenden iPhones aus diesem Herbst sein - oder mindestens ein iPhone 15 Pro aus dem vergangenen Jahr. Selbst Käufer des günstigeren iPhone 15 bleiben außen vor. Bei den Macs ist die Basis breiter: Es reicht, dass sie einen hauseigenen Apple-Chip der M-Serie haben statt eines Intel-Prozessors.
Die wichtigste Voraussetzung für die neuen Funktionen ist aber, dass Nutzer Apple genug Vertrauen entgegenbringen, um sich auf den weitreichenden Zugang der KI-Modelle des Konzerns zu ihren Daten einzulassen. Apple-Chef Tim Cook betont schon seit Jahren den Fokus auf Privatsphäre und Verschlüsselung - und legte damit die Basis dafür. Dabei sind die Nutzer an sich nach vielen Hacker-Attacken und Datenskandalen misstrauischer geworden. So schlug Microsoft jüngst heftige Kritik entgegen, weil der Konzern eine KI-Suchfunktion ankündigte, für die alle paar Sekunden Bildschirmaufnahmen erstellt und ausgewertet werden.
Apple setzte bisher darauf, Künstliche Intelligenz in einzelne Funktionen einzubringen, ohne groß die Aufmerksamkeit der Nutzer darauf zu lenken: Etwa bei der Foto-Bearbeitung oder Wortvorschlägen beim Schreiben von Kurznachrichten. Schon auf bisherigen iPhones liefen rund 200 Modelle mit maschinellem Lernen, sagte Federighi.
Der Konzern führte dabei immer wieder als Datenschutzargument an, dass die KI auf den Geräten selbst statt in der Cloud laufe. Mit „Apple Intelligence“ wird der Rechenaufwand nun aber oft so groß sein, dass Server aus dem Netz zur Hilfe hinzugezogen werden müssen. Apple entwickelte dafür ein Verfahren mit kompletter Verschlüsselung und verspricht, dass nach der Verarbeitung keine Daten auf den Servern übrig blieben. Apples KI wird von Fall zu Fall entscheiden, ob eine Aufgabe auf dem Gerät oder in der Cloud ausgeführt wird.
Durch Medienberichte vor der WWDC wurde viel darüber spekuliert, dass Apple sich Hilfe vom ChatGPT-Entwickler OpenAI holt. Am Montag klang es jedoch eher danach, dass Apple-Kunden zwar direkten Zugang zu ChatGPT einrichten könnten - der Chatbot aber eine untergeordnete Rolle spielen werde. So werde Siri jedes Mal den Nutzer um Erlaubnis fragen, wenn eine Anfrage zu ChatGPT weitergeleitet werden soll.
Wie oft das passieren wird, blieb am Montag offen. Schließlich zeichnet sich ab, dass die Reichweite der hauseigenen KI-Software zunächst beschränkt sein dürfte. Aber grundsätzlich kann sich Apple eine Zukunft vorstellen, in der Nutzer auf viele verschiedene spezialisierte KI-Modelle zugreifen können.
Schon die kontrollierte Verbindung zu ChatGPT löste derweil einen Wutausbruch des Tech-Milliardärs Elon Musk aus, der mit OpenAI im Clinch liegt. Wenn die ChatGPT-Macher Datenzugang auf Ebene des Betriebssystems bekämen, werde er in seinen Unternehmen wie Tesla oder der Raumfahrtfirma SpaceX iPhones verbieten, polterte Musk auf seiner Online-Plattform X. Dass Apple eigentlich etwas anderes ankündigte, schien bei ihm nicht angekommen zu sein.
Neben dem Fokus auf KI gab es auch andere Ankündigungen - immerhin ist die WWDC traditionell dafür da, einen Ausblick auf kommende Software und Funktionen zu geben. So wird man künftig über einen Mac-Computer direkt auf Daten und Apps auf dem iPhone zugreifen können, ohne es dafür herausholen zu müssen.
In Gebieten ohne Mobilfunk-Empfang lässt Apple iPhone-Nutzer künftig Kurznachrichten über eine Satelliten-Verbindung verschicken. Das werde sowohl für iMessage-Chats zwischen Apple-Geräten als auch für klassische SMS funktionieren. Dabei können sowohl Text als auch Emojis übermittelt werden. Bisher hatte Apple nur eine Notruf-Funktion über Satellit angeboten.
Mit dem nächsten iPhone-Betriebssystem iOS 18 wird man schließlich auch aus Apples Nachrichten-App mit Android-Nutzern über das verschlüsselte RCS-Protokoll statt über SMS chatten können. In Deutschland setzte sich bisher vor allem WhatsApp als Dienst für Kommunikation zwischen den beiden Plattformen durch.
Apples Passwort-Tresor, über den man geräteübergreifend Login-Daten speichern und ausfüllen kann, bekommt eine eigenständige App. Bisher war die Funktion in den Einstellungen untergebracht. Apple macht damit spezialisierten Anbietern Konkurrenz.
Die Computer-Brille Vision Pro wird in Deutschland ab 12. Juli erhältlich sein, wie Cook ankündigte. Der Kaufpreis startet bei 3999 Euro. Mit der Vision Pro können Nutzer zum einen in digitale Welten eintauchen. Neben dieser virtuellen Realität (VR) ist das Apple-Headset aber auch ausgelegt, digitale Inhalte mit der realen Umgebung zu mischen. Als größter Konkurrent verkauft der Facebook-Konzern Meta seine VR-Brille Quest 3 ab einem Preis von 550 Euro.
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