Schulkinder aus ärmeren Familien leiden in Deutschland häufiger unter Einsamkeit, Erschöpfung und Schlafproblemen als Kinder aus besser gestellten Familien. Emotionale Stabilität und Zufriedenheit gingen dabei unter Teenagern während der Corona-Pandemie vorübergehend deutlich zurück. Das zeigt eine in Berlin präsentierte Studie, die von der Krankenkasse DAK-Gesundheit gefördert wurde und für die Kieler Wissenschaftler mehr als 14.000 Jungen und Mädchen der Klassen 5 bis 10 befragt haben.
Egal ob es ums Gefühl geht, keine Freunde zu haben, um vermindertes Wohlbefinden oder Niedergeschlagenheit - Teenager aus Elternhäusern mit weniger Wohlstand sind stärker betroffen. So fühlen sich 32 Prozent der Schülerinnen und Schüler insgesamt oft allein. Bei den Kindern, die ihren Sozialstatus als niedrig einstufen, waren dies sogar 50 Prozent. 44 Prozent der Schulkinder aus sozial benachteiligten Familien berichten etwa, unglücklich zu sein und häufig weinen zu müssen. Unter den Kindern mit hohem Sozialstatus geben nur 26 Prozent vermehrt solche depressiven Symptome an.
In einer anderen aktuellen Studie hatten kürzlich fast 17 Prozent der befragten Schülerinnen und Schülern angegeben, sich meistens oder immer einsam zu fühlen. Doch wie können Eltern ihren Kindern helfen, Freundinnen und Freunde zu finden? Die Ortskrankenkassen etwa gaben in einer Zusammenstellung eine Reihe von Tipps. So könnten Eltern Orte finden, an denen das Kind und die Freunde ungestört sein können. Sie könnten den Kindern vermitteln, dass sie die Freunde auch mögen - oder selbst mit gutem Beispiel vorangehen und sich mit Menschen umgeben, die ihnen wichtig sind.
Eine Delle bei der emotionalen Stabilität der Kinder gab es laut der DAK-Studie in den Corona-Jahren. „Corona hat zu einem massiven Verlust von Lebenszufriedenheit geführt“, sagte der Studienautor, der Kieler Psychologe Reiner Hanewinkel. Sie war der Erhebung zufolge auf einer Skala von 0 bis 10 im Corona-Schuljahr 2022/2023 mit 5,8 am geringsten ausgeprägt - und stieg bis zuletzt wieder auf einen Wert von 6,8 an. Auch Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit sind bei Kindern mit subjektiv niedrigem Sozialstatus geringer.
Mindestens einmal pro Woche erschöpft fühlen sich 53 Prozent der Kinder insgesamt. Unter den Kindern mit subjektiv niedrigem sozialen Status sind es sogar 63 Prozent. Während der Corona-Pandemie fühlten sich im Vorjahr sogar 58 Prozent insgesamt oft erschöpft - und 69 Prozent der Kinder mit niedrigem Sozialstatus.
„Corona hat den Kindern viel abverlangt“, sagte Familienstaatssekretärin Ekin Deligöz (Grüne). Viele Kinder denken an die Infektionsschutzmaßnahmen während der Pandemie tatsächlich mit negativen Gefühlen zurück. So fanden das Homeschooling 55 Prozent etwas bis sehr belastend, die Maskenpflichten 54 Prozent - und das regelmäßige Lüften sogar 69 Prozent.
Die Forscher fragten auch nach der Qualität des Schlafs - und fanden heraus, dass 49 Prozent der Schulkinder mit niedrigem sozialen Status regelmäßig Schlafprobleme haben, also mindestens einmal pro Woche. Unter den Kindern aus wohlhabenderen Familien sind es nur 33 Prozent. Die Studienautoren führen dies nicht zuletzt auf eine höhere Bildschirmzeit bei Kindern mit subjektiv niedrigem sozialen Status zurück. Im Schnitt schlafen die 11-Jährigen 8 Stunden und 48 Minuten pro Tag - bei den 15-Jährigen sind es demnach nur noch 7 Stunden und 24 Minuten.
Auch Schlafmittel spielen unter manchen Teenagern schon eine Rolle. So haben laut der Studie 13 Prozent derjenigen mit hohem Sozialstatus und sogar 22 Prozent mit niedrigem Status schon einmal solche Mittel genommen. Insgesamt geben aber 62 Prozent der Befragten an, guten oder sehr guten Schlaf zu haben. Bei denen, die ihren Status als niedrig einstuften, sind es nur 47 Prozent.
Die Frage, ob ein Kind Mobbing ausgesetzt ist, nimmt auf Elternabenden immer wieder größeren Raum ein - nicht zuletzt Mobbing in Chatgruppen. Tatsächlich berichten 60 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen, niemals auf dem Schulhof oder im Klassenzimmer geärgert, angegriffen oder ausgegrenzt zu werden. Allerdings sagen 14 Prozent, auf die Weise mindestens einmal pro Woche drangsaliert zu werden. Im Internet fühlen sich nur 5 Prozent mindestens einmal pro Woche belästigt oder bloßgestellt - 17 Prozent haben solche Demütigungen überhaupt schon erlebt. 82 Prozent der Befragten wurden hingegen noch nie Opfer von Cyber-Mobbing.
Auch hier spielt der Status eine Rolle - so hat nach eigenen Angaben bereits fast jede und jeder Zweite aus Familien mit geringerem Wohlstand Mobbing in der Schule erlitten, aber nur 39 Prozent derjenigen mit subjektiv höherem Sozialstatus. Bei Cyber-Mobbing waren es 27 Prozent der schlechter gestellten und 17 Prozent der besser gestellten Teenager.
Für DAK-Chef Andreas Storm und Familienstaatssekretärin Deligöz sind die Ergebnisse „alarmierend“. Deligöz sagte: „Wir leben in einer Zeit der Krisen - die prägen die Kindheit unserer Kinder.“ Viele machten sich auch über die Klimakrise oder den Ukraine-Krieg Sorgen - nicht alle seien aber gleich widerstandsfähig. Erst am Vortag hatte das Statistische Bundesamt die Zahl von knapp 2,2 Millionen Kindern und Jugendlichen herausgebracht, die in Deutschland armutsgefährdet sind.
Um die materielle Lage von Kindern zu verbessern, versprach Deligöz, ihr Haus werde bis Ende der Sommerpause den angekündigten Gesetzentwurf für eine Kindergrundsicherung vorlegen. Mit wie vielen Milliarden Euro diese ausgestattet wird, war zuletzt in der Regierung allerdings umstritten. Zudem machte Deligöz auf ein Programm aufmerksam, mit dem Sozialarbeiterinnen und -arbeiter in großem Stil in die Schulen geschickt werden.
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