Früher reichten für einen Spieleabend ein Würfel, ein paar Figuren und ein Spielbrett. Inzwischen werden selbst klassische Brettspiele digital: Mal übernimmt die Smartphone-App die Rolle des Spielleiters, mal gibt sie beim Detektivspiel als Augenzeuge wichtige Tipps. Aber liegt die Zukunft der klassischen Gesellschaftsspiele wirklich im Digitalen?
Für die rund 200.000 Spielefans, die von Donnerstag bis Sonntag bei der weltweit größten Publikumsmesse für Brettspiele in Essen erwartet werden, bietet die Branche Neuerungen in beiden Bereichen: Digital wie analog. Die Spieleverlage experimentieren viel, wollen einen möglichen Trend zu mehr Digitalisierung im Gesellschaftsspiel auf keinen Fall verpassen.
Das gelte erst recht, weil in der wichtigen jungen Zielgruppe der 14- bis 35-Jährigen das Interesse an Spielen in den vergangenen Jahren massiv zugenommen hat. „Wir suchen immer wieder nach Ideen, wie man Digitalität als Innovationstreiber nutzen kann“, sagt Katrin Seemann vom Branchenriesen Ravensburger. Gerade die junge Generation sei schließlich sehr technikaffin. Auf der anderen Seite seien Gesellschaftsspiele für viele auch eine bewusste Alternative zur ansonsten immer technischeren Welt.
Die meisten in der Branche sind deshalb angetan und skeptisch zugleich, wenn es darum geht, digitale Ideen in Gesellschaftsspiele zu integrieren. „Vieles, was in diesem Bereich ausprobiert wurde, ist auch schon wieder weg vom Markt“, sagt Hermann Hutter, Vorsitzender des Verbands der Spieleverlage. „Klassische Gesellschaftsspiele haben ja mit sozialem Miteinander zu tun. Man spielt, um mit anderen Menschen eine schöne Zeit zu verbringen und Spaß zu haben.“
Das Smartphone störe viele dabei eher, glaubt der Verbandschef. „Mit dem Handy kann man spielen, wenn man allein in der U-Bahn sitzt und es langweilig ist - Brettspiele dann in der Gruppe im Austausch.“
Die allermeisten Spiele, die die Verlage bei der Leitmesse in Essen präsentieren, kommen deshalb auch ganz klassisch analog daher. Vor allem Party- und Wissensspiele zählen aktuell zu den stärksten Umsatztreibern. Die Branche braucht solche Trends, denn nach zehn Jahren mit starkem Umsatzwachstum haben Gesellschaftsspiele laut Verband in diesem Jahr von Januar bis August nur noch um 0,9 Prozent zugelegt.
Digitale Elemente würden von Gesellschaftsspiel-Fans dabei nur akzeptiert, wenn sie einen echten Mehrwert für die Spielidee bringen, glaubt Spielwissenschaftler Jens Junge. „Eine App, die einfach nur den Würfel ersetzt, nervt eher und stört den Spielfluss.“ Entscheidend sei, dass digitale Elemente im Gesellschaftsspiel den Spielplatz und die Spielidee wirklich nennenswert nach vorne bringen.
Ein erfolgreiches Beispiel ist das Partyspiel „Hitster“, von dem der Jumbo-Verlag auf der Messe eine weitere Version präsentiert. In der Ursprungsvariante werden über die App Pop- oder Schlagersongs eingespielt und die Spieler müssen die passenden Spielkarten in eine zeitliche Reihenfolge bringen.
Beim Quiz-Spiel „Know“ vom Ravensburger-Verlag bleiben die Fragen immer gleich, aber die Antworten ändern sich: Wie ist das letzte Spiel des FC Bayern München ausgegangen? Wie weit ist es bis nach Hamburg? Je nachdem, wann und wo gespielt wird, ist immer eine andere Antwort richtig. Das lässt sich nicht mit aufgedruckten Antworten auf der Rückseite umsetzen, sondern nur mit einer Smartphone-App.
Aus dem Huch-Verlag kommt das Kommunikationsspiel „Kosmopolit“, bei dem alle gemeinsam ein Restaurant managen müssen - ein Spieler hört über Kopfhörer die vielen Bestellungen und muss die Mitspieler in der Küche anleiten.
Spielwissenschaftler Junge erwartet, dass die Branche in diese Richtung immer weiter experimentieren wird. Erfolgreiche digitale Lösungen werde es im Gesellschaftsspiel-Bereich immer wieder geben - trotzdem hält der Professor solche Hybridspiele eher für eine Nische. „Das Medium Brettspiel ist ja gerade auch ein Gegenentwurf zur digitalen Gesellschaft.“
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