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Veröffentlicht am 26.08.2022 17:02

Was das Niedrigwasser zum Vorschein bringt

Das Wrack eines deutschen Kriegsschiffs bei niedrigem Wasserstand in der Donau. (Foto: Darko Vojinovic/AP/dpa)
Das Wrack eines deutschen Kriegsschiffs bei niedrigem Wasserstand in der Donau. (Foto: Darko Vojinovic/AP/dpa)
Das Wrack eines deutschen Kriegsschiffs bei niedrigem Wasserstand in der Donau. (Foto: Darko Vojinovic/AP/dpa)

Die seit Wochen sinkenden Pegelstände vieler Flüsse und Seen fördern in Deutschland und anderen Ländern erstaunliche Relikte aus vergangenen Zeiten zutage.

In den USA etwa brachte die Trockenheit in einem Flussbett in Texas Dinosaurier-Fußabdrücke zum Vorschein. Nach Angaben des Parks sind die Versteinerungen etwa 113 Millionen Jahre alt.

Dinosaurier-Spuren sind im Rhein, in der Donau und anderen Gewässern Europas zwar noch nicht aufgetaucht, aber dafür viele andere Dinge - mal mehr, mal weniger kurios. Ein Überblick über bisher Verborgenes:

In Spanien im Stausee Valdecañas knapp 200 Kilometer südwestlich von Madrid wurde das „spanische Stonehenge“ freigelegt - Formationen von bearbeiteten Steinen, die dem gewaltigen Steinkreis im Süden Englands ähneln. Die spanische „Version“ war vor 5000 bis 7000 Jahren mutmaßlich ein Friedhof. Sie liegt fast immer völlig unter Wasser, nur vier Mal kam sie seit 1963 in Dürreperioden wie der aktuellen zum Vorschein.

In einem Stausee in Huesca in der nordöstlichen Region Aragonien trat das alte Dorf Bubal mit seiner mittelalterlichen Brücke zutage. Und auch in der Provinz Orense ist unweit der Grenze zu Portugal wieder das sogenannte Geisterdorf Aceredo zu sehen, das Anfang der 1990er Jahre wegen eines Stausees von den 120 Einwohnern verlassen werden musste.

Die Ruinen werden nun oft zu Touristenattraktionen. In Katalonien mussten die Behörden den Zugang zum Stausee Embalse de Sau, etwa 90 Kilometer nördlich von Barcelona, beschränken - so groß war der Andrang der Menschen, die die normalerweise unter Wasser stehende alte Kirche Sant Romá aus dem 11. Jahrhundert sehen wollten.

Bereits Ende März trat im Fluss Po ein seit Jahrzehnten verschollener deutscher Wehrmachtswagen aus dem Zweiten Weltkrieg zutage. Der Fundort lag in der norditalienischen Ortschaft Sermide an der Grenze zwischen den Regionen Venetien und Lombardei. Das Gefährt wurde damals für die Artillerie an der Front eingesetzt. Um die Fahrzeuge nicht einfach den Alliierten zu überlassen, versenkte die Wehrmacht sie im Frühjahr 1945 auf ihren Rückzug im Po.

Am Unterlauf der Donau tauchten drei Wracks von deutschen Kriegsschiffen aus dem Zweiten Weltkrieg bei Prahovo am serbischen Ufer auf. An diesem Abschnitt bildet die Donau die Grenze zwischen Serbien und Rumänien. Laut den Angaben der Belgrader Nachrichtenagentur Tanjug sollen ab Oktober mehr als 20 dieser gesunkenen Schiffe geborgen werden.

Auch im Rhein liegen noch viele Überbleibsel des Krieges: Rund 400 Kilogramm Munitionsreste wurden etwa bei Mainz geborgen. Darunter waren Panzerfäuste, Flak- und Panzermunition.

Mit dem Niedrigwasser sind in Worms-Rheindürkheim auch sogenannte Hungersteine wieder sichtbar geworden. Auf einem Stein sind beispielsweise die Inschriften „Ano 1857“ und darunter „Hunger Jahr 1947“ zu lesen. Auch 1959 und 1963 sind erkennbar. Auf anderen Steinen wird an das Jahr 2003 erinnert, in denen die Steine ebenfalls freilagen. Am Ufer soll in Kürze eine Informationstafel aufgestellt werden, die den geschichtlichen Hintergrund der „Hungersteine“ erklärt, die die Dürrezeiten markieren sollen.

Am Rheinufer bei Schenkenschanz tauchte derweil wieder das Wrack des einstigen Holz-Frachtschiffes „De Hoop“ aus dem späten 19. Jahrhundert auf. 1895 hatte sich beim Umladen von Dynamit eine Explosion ereignet, bei der 16 Menschen starben und das Schiff zerstört wurde.

Vor der Insel Reichenau im Bodensee ist eine Kiesbank aus dem Wasser aufgetaucht. Es ist nicht das erste Mal, dass die kleine Insel durch den geringen Wasserstand des Sees zum Vorschein kommt. Besonders im Fokus stand sie bereits im Jahr 1972, als eine äußerst große Fläche der Kiesbank über dem Wasser lag. Paddler und Bootsfahrer stellten dann durchaus mal eine Bierbank oder einen Sonnenschirm dort auf.

In Hessen tauchte in diesem Jahr aufgrund der Trockenheit das sogenannte Edersee-Atlantis früher als gewöhnlich auf. Dabei handelt es sich um die Reste dreier aufgegebener Dörfer auf dem Seegrund. Auch ein Minimodell der Edersee-Staumauer kam zum Vorschein.

Aufgrund der aktuellen Dürre-Periode in Europa, in der die Wasserstände immer niedriger werden, gibt es viele solcher Ruinen-Revivals. In einem Anfang der Woche veröffentlichten Bericht befanden EU-Experten, dass fast die Hälfte Europas von Dürre bedroht sei. Demnach habe die Dürregefahr besonders in Italien, Spanien, Portugal, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Rumänien, Ungarn, Nordserbien, der Ukraine, Moldau, Irland und im Vereinigten Königreich zugenommen.

Fest steht: Dürre-Perioden sind wegen des Klimawandels an den meisten Orten der Welt häufiger und intensiver geworden. Es ist daher davon auszugehen, dass Relikte dieser Art künftig noch häufiger zu Tage treten.

© dpa-infocom, dpa:220826-99-526870/3

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