Im Jahr 2015, als Stefan Raabs Abschied vom Fernsehbildschirm schon längst feststand, lieferte der „Raabinator“ noch einmal die ganze große Show ab. Beim Deutschen Comedypreis wurde ihm eine Ehren-Auszeichnung zuerkannt - aber wie so oft bei Raab war der Anlass relativ zweitrangig für das, was folgte.
„König Lustig“ kaperte die Bühne, witzelte, trällerte - und sang ein paar Zeilen aus dem von Melancholie und Sehnsucht durchtränkten Schunkler „Kölsche Jung“, den schon Willy Millowitsch, ein Lokalheiliger aus Raabs Heimatstadt Köln, gesungen hatte. Man könnte sagen: Er setzte damit selbst den Grundton für die folgenden Jahre. Denn mit jedem Tag, an dem Raab weg war, schienen die Sehnsüchte nach einer Rückkehr bei seinen Fans größer zu werden.
Vielleicht ist so zu erklären, was sich über die Osterfeiertage fast zehn Jahre später abspielte. Nachdem auf Raabs Social-Media-Kanal - lange brachliegend - Videos aufgetaucht waren, die eine Rückkehr andeuteten, entlud sich etwas. Zwischen Eierlikör und Schoko-Hasen kam man kaum an den Clips vorbei, schaute man nur kurz ins Netz. Manche vermuteten einen Aprilscherz, andere das lang ersehnte Lebenszeichen des TV-Erlösers.
Mittlerweile ist es konkret geworden: Am 14. September soll in Düsseldorf ein Show-Kampf steigen, so heißt es - zwischen Raab und der Ex-Profiboxerin Regina Halmich. Die beiden haben sich bereits zweimal duelliert. Das erste Mal im Jahr 2001. „Er ist der Meister der Show, der Inszenierung. Ich glaube, dass da was ganz Großes kommen wird“, sagt Halmich der dpa.
Raab katapultiert sein Publikum also gedanklich in eine Zeit zurück, an die es recht warme Erinnerungen haben dürfte. Rund um die Jahrtausend-Wende galt der einstige Metzger-Lehrling aus Köln-Sülz mit seiner Anarcho-Art als ultimativer Erneuerer der TV-Unterhaltung. Für seine Sendungen blieben Teenager länger wach - während ihre Eltern nicht verstanden, was Raab da trieb. Oder die Nasen rümpften.
Mittlerweile ist Raab allerdings 57 Jahre alt und die Zeiten - gerade auch in der Unterhaltung - haben sich geändert. Streaming, Social Media, neue Spieler, auch mitunter andere Ansprüche an die Haltung, mit der Spaß fabriziert wird. Warum wird Raab dennoch in Teilen offenbar so herbeigesehnt? Als er eine Rückkehr in einem ersten Video mit der Marke von 9 Millionen Followern verband, wurden es zwar nicht ganz so viele - aber mehr als 2,8 Millionen sind es mittlerweile. Ist das alles Nostalgie?
Von dieser Frage ist Marcus S. Kleiner, Professor für Medienwissenschaft an der SRH Berlin University of Applied Sciences, ebenfalls fasziniert. „Ich finde den Hype um Raab ganz erstaunlich. Denn der ist aus meiner Sicht nicht selbstverständlich“, sagt er. „Würde Harald Schmidt ein Comeback als Moderator ankündigen, wäre der Hype sicherlich nicht so groß. Aber die TV-Nation giert offenbar nach Raab.“
Für Kleiner zeigt sich darin auch ein „Kampf der Kulturen“. Denn: Menschen, die nach dem Jahr 2000 geboren wurden, werden von Raabs Wirken gar nicht mehr so viel mitbekommen haben. 2015 verabschiedete er sich vom Bildschirm und wirkte fortan hinter den Kulissen. 2018 trat er mit einem Bühnen-Programm auf, das aber nicht im Fernsehen übertragen wurde und somit kein Massenpublikum erreichte.
„Meinen Studierenden ist Raab komplett egal“, berichtet Kleiner, der auch Autor ist. Raab adressiere mittlerweile klar ein älteres Publikum. „Es trifft also offenbar eine TV-Nostalgie-Gesellschaft auf eine Streaming-Generation“, sagt Kleiner. „Und an dem Hype zeigt sich, dass das klassische TV-Publikum offenbar immer noch sehr mächtig und wichtig ist.“
Raab sei Repräsentant „der alten TV-Spaßgesellschaft“, die man aus der Zeit rund um den Jahrtausendwechsel kenne. Und von der manch einer glaubte, sie sei Vergangenheit. „Aber es scheint so zu sein, dass man sich in Krisenzeiten, wie wir sie aktuell haben, nach einem Erlöser sehnt“, sagt Kleiner. Anders seien manche Kommentare kaum zu verstehen. „Man hatte den Eindruck, als könne Raab die Kriege dieser Welt befrieden.“
Als Raab 2015 beim Deutschen Comedypreis sein Lied sang, schmachtete er auch diese Zeile, hier mal ins Hochdeutsche übersetzt: „Ich bin ein Kölner Junge, was willst du machen? Ich bin ein Kölner Junge und lache gerne.“
Vielleicht ist das auch fast das ganze Geheimnis.
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