Selbstkritik der Führungsriege, Rücktrittsforderungen der Mitglieder: Der hoch verschuldete und abstiegsbedrohte Fußball-Zweitligist FC Schalke 04 hat sich auf der Mitgliederversammlung an der tristen Aktualität abgearbeitet. Auf der emotionalen, mehr als sechsstündigen Veranstaltung gab es vor allem an Aufsichtsratschef Axel Hefer und den Vorstandsvorsitzenden Matthias Tillmann teils wüste Vorwürfe.
„Ich weiß gar nicht, wie Sie an Ihren Job gekommen sind. Herr Tillmann, werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht und treten Sie zurück“, sagte etwa eins der vielen Mitglieder, die während der rund dreistündigen Aussprache die Möglichkeit nutzten und die Club-Führung kritisierten. „Keine Kompetenz im Vorstand und Aufsichtsrat“ lautete bei etlichen Rednern der Tenor.
Hefer als Veranstaltungsleiter und Tillmann kommentierten meist sachlich und ruhig. „Ich verstehe die Kritik und hinterfrage mich ständig selbst“, sagte Tillmann, der erst seit Beginn des Jahres im Amt ist und von Hefer, seinem früheren Vorstandskollegen beim Hotel-Vergleichsportal Trivago, nach Schalke geholt worden war.
„Wir drohen, im Mittelmaß der 2. Liga zu versinken“, bekannte der 40 Jahre alte Tillmann, gab dabei aber vor allem auch der früheren sportlichen Leitung die Schuld. Für die aktuelle sportliche Situation - der Revierclub muss als Tabellen-14. den Abstieg in die Drittklassigkeit befürchten - machte der Vorstandschef insbesondere den geschassten Sportchef Marc Wilmots zum Sündenbock. „Marc Wilmots war und bleibt eine Legende als Spieler. Im Management hat es nicht funktioniert“, urteilte Tillmann.
Auch Hefer gestand ein, Wilmots als Sportlicher Leiter sei ein Missgriff gewesen. Der belgische Ex-Profi war im September nach nur neun Monaten im Amt wieder entlassen worden. „Wir performen unter dem, was das Budget hergeben müsste“, sagte Tillmann und machte eine deutliche Ansage an die nicht anwesende Mannschaft und Trainer Kees van Wonderen: „Die nächsten fünf Spiele bis zur Winterpause sind sehr wichtig. Das weiß der Trainer, das weiß die Mannschaft.“
Das Problem dabei: Drei der fünf Gegner sind die Zweitliga-Spitzenclubs Hamburger SV, SC Paderborn und Fortuna Düsseldorf.
Finanzvorständin Christina Rühl-Hamers eröffnete den gut 6000 anwesenden Mitgliedern, notgedrungen die Lizenzierung für die 3. Liga planen zu müssen. „Die Situation ist natürlich weiter herausfordernd“, sagte Rühl-Hamers, die zwar gesunkene Verbindlichkeiten verkündete. Diese liegen aber immer noch bei 162 Millionen Euro. Aktuell muss der Club jährlich 16 Millionen Euro für Tilgung und Zinsen bezahlen. „Das ist ein durchschnittlicher Zweitligakader. Das heißt, wir bezahlen derzeit einen Kader extra“, klagte Hefer.
Um die Situation zu verbessern, sollen über eine Fördergenossenschaft möglichst 50 Millionen Euro an Eigenkapital eingenommen werden. „Dann sieht die Welt auf Schalke anders aus“, sagte Tilmann. Von Januar an sollen die rund 190.000 Mitglieder Anteile zu je 250 Euro an der Veltins-Arena erwerben. Mit dem geplanten Erlös sollen vor allem Schulden getilgt werden. Kritik an diesem Weg gab es kaum.
Rühl-Hamers kündigte zudem an, nach der Erhöhung der Preise für Tageskarten zur kommenden Saison auch die Preise für Dauerkarten anheben zu wollen.
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