In der CDU und CSU werden Rufe nach Leistungskürzungen für Asylbewerber und ukrainische Kriegsflüchtlinge lauter. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte „ein neues soziales Leistungssystem für Asylbewerber“. Dies sei unterhalb des Bürgergeldes anzusiedeln. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), sagte: „Die Auswüchse beim Bürgergeld und bei den Integrationsmaßnahmen für Asylbewerbern lassen viele Menschen sprachlos zurück.“
Dobrindt sagte der „Bild“-Zeitung: „Wer zumutbare Arbeit verweigert, der muss mit Leistungskürzungen rechnen.“ Der SPD-Innenpolitiker Helge Lindh warf Dobrindt in den Zeitungen der Mediengruppe Bayern „unsäglichen Populismus“ vor. Die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz dürften verfassungsrechtlich gar nicht sinken, weil ein menschenwürdiges Dasein dann nicht mehr möglich sei. „Würde die Union mehr auf Fachleute in Ausländerbehörden und Jobcentern hören und weniger auf die Macht der Ressentiments, wäre allen gedient.“
Forderungen nach geringeren staatlichen Überweisungen an ukrainischen Kriegsflüchtlinge gibt es schon länger. So hatte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai gefordert, neu ankommenden Ukrainerinnen und Ukrainern künftig kein Bürgergeld mehr zu gewähren, sondern Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) hatte argumentiert, das Bürgergeld sei zum „Bremsschuh für die Arbeitsaufnahme“ geworden. Das Bundesarbeitsministerium argumentierte hingegen, dass es mit dem Bürgergeld und damit mit der Zuständigkeit der Jobcenter schneller und passgenauer eine Integration in den Arbeitsmarkt geben könne. Dies sei angesichts des Fachkräftemangels auch für Deutschland nützlich.
Die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine waren - wie auch in anderen EU-Staaten - gemäß der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie in Deutschland aufgenommen worden. Kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine hatte die EU die Richtlinie im März 2022 aktiviert. Die Betroffenen mussten daher keinen Asylantrag stellen. Deutschland hatte aber eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Europa angemahnt, da besonders viele Betroffene in Polen, Deutschland und Tschechien lebten. Die Ukraine-Flüchtlinge bekommen Bürgergeld - Asylbewerber erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Erst wenn sie als Geflüchtete anerkannt sind, haben auch sie - bei Bedürftigkeit - Anspruch auf Bürgergeld.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte im Herbst ein Programm angekündigt, mit dem geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer sowie andere Asylbewerber schneller und nachhaltig auf reguläre Stellen des ersten Arbeitsmarkts vermittelt werden sollen. Angelaufen ist der „Job-Turbo“ 2024 - Jobcenter, Kommunen, Länder, Unternehmen und Verbände wirken seither zusammen. Unter anderem kümmern sich zusätzliche Arbeitskräfte in den Jobcentern um die Flüchtlinge. Erst Mitte Januar wurde der Bundeshaushalt für das Jahr 2024 verabschiedet und frisches Geld dafür frei.
Ein größerer Teil der vermittelten Ukrainerinnen und Ukrainern arbeitet in Helferjobs, etwa in Küche, Hauswirtschaft oder der Pflege. Zum Beispiel in der Region Nürnberg hätten rund 40 Prozent Jobs angetreten, für die man auch in Deutschland Ausbildung oder Abschluss brauche. 60 Prozent aber seien in Helferjobs vermittelt worden, sagte die Chefin des Jobcenters Nürnberg, Renata Häublein, dem Bayerischen Rundfunk. Der Bundes-Sonderbeauftragte für den „Job-Turbo“, Daniel Terzenbach vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, sagte dem BR, bundesweit hatten etwa im April knapp 6800 Geflüchtete aus der Ukraine einen Job im ersten Arbeitsmarkt. Das waren mehr als doppelt so viele wie im April 2023. Damals waren rund 2850 Ukrainerinnen und Ukrainer in Arbeit.
Heil verwies im Juli auf Zahlen der Arbeitsagentur, nach denen hierzulande zuletzt 192.000 Ukrainerinnen und Ukrainer einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgingen. 48 000 seien geringfügig beschäftigt. Im November hatte Heil eine Zahl von insgesamt 400.000 Geflüchteten genannt, die ihren Integrationskurs abgeschlossen hätten oder kurz davor seien und dann dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden. Die Unternehmen rief Heil dazu auf, keine zu hohen Ansprüche an die Sprachkenntnisse der Flüchtlinge zu stellen: „Auch wer noch nicht perfekt unsere Sprache spricht, kann erfolgreich durchstarten.“
Der FDP-Politiker Pascal Kober machte sich für eine stärkere Differenzierung bei den Leistungsempfängern insgesamt stark. „Es wäre an der Zeit zu hinterfragen, ob wir nicht unterschiedliche Regelungen im Bürgergeld für die verschiedenen Betroffenengruppen brauchen“, sagte der FDP-Arbeitsmarktexperte der „Rheinischen Post“. Unterschieden werden könnte zwischen Aufstockern, die neben ihrer Arbeit auf Bürgergeld angewiesen sind, Langzeitarbeitslosen mit oft vielen gesundheitlichen Problemen und Zugewanderten. Eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums entgegnete: „Ich wüsste nicht, auf welcher Grundlagen man zum Beispiel für Angehörige bestimmter Ethnien bestimmte Sätze festlegen soll.“ Dennoch wolle die Regierung nun für einzelne Fälle rechtlich nachsteuern.
CDU-Politiker Frei sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern, er verstehe nicht, warum Flüchtlinge neben ihren Sprachkursen nicht auch arbeiten könnten. „Es muss in den Leistungen einen Unterschied geben zwischen Bürgern, die jahrelang gearbeitet haben, und Menschen, die hierher geflüchtet oder arbeitsfähig sind, aber jahrelang keiner bezahlten Tätigkeit nachgehen.“ Arbeitseinsätze zur Unterstützung der Kommunen könnten Teil eines Integrationsprozesses sein.
CDU-Innenpolitiker Alexander Throm schlug vor, einen „verpflichtenden gemeinnützigen Dienst“ für Flüchtlinge einzuführen. „Morgens Sprache lernen, nachmittags den Park pflegen. Jeder muss seinen Beitrag leisten“, sagte Throm der „Bild“. Die CSU-Innenpolitikerin Andrea Lindholz sagte der Mediengruppe Bayern: „Beispielsweise sollten Geduldete, die in einem anderen EU-Staat schutzberechtigt sind und ihre Rückkehr dorthin verweigern, nur noch eine zweiwöchige Überbrückungsleistung nebst Reisebeihilfe erhalten.“ Dazu sei eine Grundgesetzänderung nötig.
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