Autos, Laster und Motorräder sind aus Sicht von Umweltschützern in den Städten deutlich zu schnell unterwegs. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert eine Änderung der Straßenverkehrsordnung, da noch viel zu selten Tempo 30 gelte. „Das läuft leider nicht gut“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Wir haben das ganz große Problem, dass es wegen der Straßenverkehrsordnung nur sehr wenige Möglichkeiten gibt, Tempo 30 einzuführen.“
Diese Geschwindigkeitsbegrenzung gebe es vor allem in Nebenstraßen, für Hauptstraßen müssten dafür strenge Kriterien erfüllt sein, kritisierte der Umweltschützer. „Der meiste und gefährlichste Verkehr fährt aber nicht durch die Nebenstraße.“
Aus Sicht der Umwelthilfe sollte Tempo 30 flächendeckend gelten: „Wir fordern Tempo 30 obligatorisch für alle Stadtgebiete“, sagte Resch. Jede weitere Straße sei gut. „Aber Kompromisse reichen nicht aus.“ Das bundesweit einheitlich zu regeln, würde auch eine bessere Orientierung für Autofahrerinnen und Autofahrer bedeuten, betonte der Umweltschützer. „Ich fahre in eine Stadt rein und weiß: Tempo 30.“
Auch zahlreiche Städte wollen mehr Tempo 30, wegen der Gesetzeslage sind ihnen jedoch enge Grenzen gesetzt. So teilte die Stadt Hannover der Deutschen Presse-Agentur mit, im Stadtgebiet seien großflächig überall, wo dies zulässig sei, bereits vor vielen Jahren Tempo-30-Zonen eingerichtet worden. „Allerdings würde die Stadt Hannover gern auf ausgewählten Hauptverkehrsstraßen Tempo 30 ausschildern, darf dies rechtlich aber nicht.“
Die Stadt sei daher als Gründungsmitglied des Bündnisses „Lebenswerte Städte“ aktiv und fordere den Bund dazu auf, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu ändern und den Kommunen bei diesen Fragen mehr Spielraum zuzugestehen. „Wir sind davon überzeugt, dass vor Ort sehr genau abgeschätzt werden kann, ob es gewinnbringend ist, das Tempo zu reduzieren“, teilte die Stadt mit. In der Initiative engagieren sich den Angaben nach inzwischen rund 360 Städte, Gemeinden und Landkreise für mehr Entscheidungsfreiheit bei der Anordnung von Tempolimits.
Wenn alle Städte einheitlich Tempo 30 einführen würden, hätte das gleich mehrere positive Effekte, wie der DUH-Bundesgeschäftsführer erläuterte. Er zählte auf: weniger Schadstoffe in der Luft, eine geringere Lärmbelastung, mehr Verkehrssicherheit, und „wir würden auch aus dem Schilderwald herauskommen“.
Das Bundesverkehrsministerium (BMDV) sei mit Blick auf entsprechende Regelungen „offen für unterschiedliche Lösungsansätze“, teilte eine Sprecherin mit. „Nicht überzeugt ist das BMDV aber von flächendeckendem Tempo 30 oder Geschwindigkeitsbeschränkungen in Durchgangsstraßen.“
Laut Koalitionsvertrag sollten das Straßenverkehrsgesetz und die Straßenverkehrsordnung so angepasst werden, dass auch die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt würden, heißt es vom Ministerium. „Dabei sollen den Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume eröffnet werden.“ Derzeit prüfe das Ministerium die Ergebnisse einer Länderarbeitsgruppe zum Thema Straßenverkehrsordnung.
Andere Länder machen vor, was möglich ist. Die niederländische Hauptstadt Amsterdam etwa teilte kürzlich mit, dass dort bald auf den meisten Straßen Tempo 30 gelte. Die Maßnahme werde 80 Prozent des Stadtgebiets betreffen und beginne ab Dezember 2023.
Resch von der Deutschen Umwelthilfe sagte, in Deutschland sei Mainz ein positives Beispiel. Mit Blick auf Tempo 30 in deutschen Städten spricht er ansonsten von einem „Flickenteppich“.
Die Wohnstraßen und Nebenstraßen im Mainzer Stadtgebiet befinden sich durchgängig in Tempo-30-Zonen oder in verkehrsberuhigten Bereichen, wie Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger mitteilte. Auf einem Teil der innerstädtischen Hauptverkehrsachsen gelte Tempo 30 aus Luftreinhaltungsgründen. Daneben seien auf Hauptverkehrsachsen auch verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche mit Tempo 20 ausgewiesen.
Aus Stuttgart heißt es, man schöpfe alle rechtlichen Möglichkeiten zur Umsetzung von Geschwindigkeitsbeschränkungen „vollumfänglich“ aus. „Die Stadt Stuttgart befürwortet mehr kommunale Handlungsspielräume auch bei dem Thema Geschwindigkeitsreduzierungen und wird in diesem Kontext ein entsprechendes Stadtgeschwindigkeitskonzept erarbeiten“, teilte ein Sprecher mit.
Auch das Mobilitätsreferat von München findet Tempo 30 als innerörtliche Regelgeschwindigkeit „durchaus interessant“. „So könnte etwa eine Vielzahl von Schildern auf Gehwegen entfallen und damit die Barrierefreiheit verbessert werden“, erklärte eine Sprecherin. Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit bedeute jedoch nicht automatisch flächendeckend Tempo 30, heißt es aus Bayerns Landeshauptstadt. Es müssten demnach Kriterien für ein sogenanntes Vorrangstraßennetz geprüft werden, auf denen eine höhere zulässige Höchstgeschwindigkeit möglich wäre. Dies wäre dann, so die Sprecherin, eine Umkehr der derzeitigen Gesetzessystematik in der Straßenverkehrsordnung.
© dpa-infocom, dpa:230101-99-68800/3