Im Fluchen sind die Olchis Weltklasse. „Fauliger Fliegenschleim“ oder „lausiger Wanzenfurz“ sind nur einige der Beschimpfungen, die sich die dreckliebenden Wesen mehr oder weniger freundlich an den Kopf werfen. Ausgedacht hat sich die Geschichten vor rund 30 Jahren der Münchner Autor und Illustrator Erhard Dietl. Und - „beim Grätenfurz“ - am Montag (22. Mai) wird er 70 Jahre alt.
Kinder lieben Dietls Geschichten über die lustigen Wesen, die im Müll leben, am liebsten im Dreck wühlen und jede Menge „krötige“ Abenteuer erleben, wie sie es nennen. Eine Mischung aus Unbekümmertheit, Frechheit und Lebensfreude zieht sich durch die Bücher, mit Anklängen an die eigene Kindheit des gebürtigen Regensburgers, der sich vor allem an ein Gefühl der Freiheit erinnert. „Nach der Schule die Hausaufgaben oberflächlich machen, dann raus. Ich war Nachmittage lang unterwegs mit meinen Freunden, und keiner hat sich um uns gekümmert. Unsere Eltern haben uns vertraut und hatten bestimmt auch andere Probleme“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Doch ganz unbeschwert war Dietls Kindheit nicht. „Mein Vater war ein strenger, unzufriedener und letztendlich unglücklicher Vater“, sagt er. Einblicke gibt er in der kürzlich erschienenen Autobiografie „Ein Vater wie meiner“, eine spannende und sehr bewegende Lektüre, mitunter auch mit sehr humorvollen Erlebnissen.
Dietl erzählt darin von einem Mann, der journalistisch tätig war, sogar für die DDR spionierte, gebildet, großzügig und kontaktfreudig, andererseits aber schnell in Rage geriet und mitunter auch Prügel austeilte. „Vergeblich versuchten meine Schwester und ich, ihm zu gefallen. Vergeblich warteten wir auf ein Zeichen der Zuneigung, eine liebevolle Geste oder freundliche Worte“, schreibt er. „Es gab aber auch die schönen Momente, in denen mein Vater gut gelaunt war, dann erzählte ich ihm gern einen Witz, den ich mir extra für ihn gemerkt hatte.“
Inmitten dieses schwierigen und ambivalenten Verhältnisses schuf sich Dietl eine eigene Welt. Er schrieb Texte, zeichnete und machte Musik. Und er lobt die Langeweile, die er früher empfand, ohne Handy und Fernsehen. „Wenn du zwei Stunden auf einem Baum sitzt, vielleicht wird es dann auch langweilig. Dann denkt man sich halt was aus“, findet er. „Wir waren lange Nachmittage am Baggersee, da war nichts, nicht mal ein Würstelstand oder ein Eis-Kiosk. Vielleicht hatten wir mal eine Flasche Limo dabei, aber sonst nur unsere Fahrräder und ein Handtuch.“
Ein paradiesischer Zustand, den viele Kinder heute gar nicht mehr kennen, wie Dietl vermutet. „Manchmal habe ich das Gefühl, die Olchis übernehmen was, was die Kinder nicht mehr dürfen. Alle Kinder werden angehalten, ordentlich, pünktlich und pflichterfüllend zu sein.“ Alles das, was die Olchis eben nicht sind. Die Kinder danken es ihm - mit Briefen, bei denen manchmal auch Zeichnungen dabei sind, die einen Ehrenplatz bekommen. „Die Bilder hänge ich mir an die Wand, da hängt das dann eine Weile, bevor es in einen Ordner kommt. Ich hebe mir alles auf, jeden Kinderbrief und jede Zeichnung.“
Für seinen Geburtstag plant Dietl „ein krötiges Fest“, auch wenn 70 von der Zahl her furchtbar sei. Doch er sieht auch Vorteile: Etwas ruhiger und zufriedener sei er vielleicht geworden. Auch die Aussicht auf weitere runde Geburtstage schreckt ihn nicht. „Wenn man Glück hat, wird man so alt. Dann muss man schauen, dass man immer noch ein cooler Alter bleibt. Das wäre mein Vorbild: Der Mann ist 80, aber schau, wie der noch daherkommt!“
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