Mal eben wenden: Im Straßenverkehr ist das kein ungewöhnliches Manöver. Doch wer wendet, muss sicherstellen, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden. Wer das versäumt, muss für den Löwenanteil haften, wenn es beim Wenden zu einem Unfall kommt. Das zeigt eine Entscheidung (Az.: 7 U 81/23) des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm, auf welche der ADAC hinweist.
In dem Fall ging es um einen Autofahrer, der sein Fahrzeug innerorts wenden wollte. Er stand am Straßenrand und fuhr dann ein Stück rückwärts - mit eingeschlagenen Rädern, um in einer Einfahrt wenden zu können. Just in dem Moment kam ein zweites Auto und kollidierte mit dem wendenden Fahrzeug.
Im Nachgang entbrannte ein Streit über die Haftung. Der Autofahrer, der vorbeifahren wollte, forderte vollen Schadenersatz vom anderen. Sein Argument: Der Wendende hätte eine erhöhte Sorgfaltspflicht gehabt und müsste daher haften.
Eine andere Auffassung vertrat der Autofahrer, der gewendet hatte. Er forderte Schadenersatz, da der Vorbeifahrende keinen ausreichenden seitlichen Abstand eingehalten hätte. Die Sache ging vor Gericht.
Eine erste Instanz verteilte die Haftung mit einer Quote von 80 Prozent - zulasten des Wendenden. Mit der Entscheidung waren aber beide Parteien nicht einverstanden und gingen in Berufung. Das OLG Hamm sah die Sache aber nicht anders und bestätigte die Verteilung.
Es verwies auf den Paragrafen 9 (Absatz 5) der Straßenverkehrsordnung. Demnach ist es nur zulässig zu wenden oder rückwärtszufahren, wenn andere Verkehrsteilnehmer dadurch nicht gefährdet werden.
Der Wendende hatte zwar ausgesagt, dass er mit einem Rad bereits in der Spur gestanden hatte, als er zurücksetzte. Im Verlauf des Verfahrens konnte das aber widerlegt werden. Vielmehr ergaben die Ausführungen eines Gutachters, dass er zunächst parallel am Rand gestanden hatte und dann - mit stark eingeschlagenen Rädern - rückwärts in die Fahrspur des anderen Autos gefahren war.
Genau in diesem plötzlichen Manöver sah das Gericht einen schweren Sorgfaltspflichtverstoß. Die Quote von 80 Prozent der Haftung war demnach angemessen.
Allerdings musste sich auch der Vorbeifahrende die Mitschuld von 20 Prozent anrechnen lassen. Die resultiert aus der sogenannten Betriebsgefahr des Autos. Diese Haftung kann demzufolge zwar entfallen, aber nur, wenn der Unfall an sich als unvermeidbar gewertet wird.
Das ist aber hier nicht der Fall gewesen. Denn: In einer Verkehrssituation mit einem am Rand stehenden Auto mit laufendem Motor wäre es erforderlich gewesen, entweder langsamer zu fahren oder mehr seitlichen Abstand zu halten.
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