Mit einer Großrazzia in sieben Bundesländern ist das Bundesinnenministerium dem „Islamischen Zentrum Hamburg“ (IZH) und möglichen Teilorganisationen der Vereinigung zu Leibe gerückt.
Mehr als 800 Einsatzkräfte der Polizei durchsuchten am frühen Morgen Dutzende Objekte, darunter auch die bekannte Blaue Moschee in Hamburg. Ob das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren gegen das IZH am Ende ein Verbot der Vereinigung nach sich ziehen wird, ist laut Bundesinnenministerium noch offen.
Das IZH steht schon seit Jahren im Fokus des Verfassungsschutzes, der es als islamistisch einstuft. In seinem aktuellen Jahresbericht führt das Bundesamt für Verfassungsschutz aus, das IZH habe „ein bundesweites Kontaktnetz innerhalb der zahlreichen schiitisch-islamischen Moscheen und Vereine aufgebaut“.
Die Vereinigung stehe im Verdacht, sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung zu richten, teilte das Bundesinnenministerium mit. Zudem gingen die Sicherheitsbehörden dem Verdacht nach, dass der Verein Aktivitäten der proiranischen Hisbollah aus dem Libanon unterstützt, für die in Deutschland seit 2020 ein Betätigungsverbot gilt. Das Zentrum selbst zeigte sich zuversichtlich, dass die Durchsuchungen keine Gründe für ein Vereinsverbot ergeben würden.
Wie die Bundesanwaltschaft mitteilte, ging das Bundeskriminalamt zeitgleich mit den Maßnahmen gegen das IZH gegen mutmaßliche Unterstützer der Hisbollah im Raum Hannover vor. Auf Betreiben des Generalbundesanwalts seien rund 20 Objekte sowie Vereinsräume durchsucht worden. Die Maßnahmen richteten sich gegen fünf Verdächtige, die mit der libanesischen Schiitenmiliz in Verbindung stehen sollen. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Festnahmen habe es nicht gegeben.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: „Gerade jetzt, in einer Zeit, in der sich viele Jüdinnen und Juden besonders bedroht fühlen, gilt: Wir dulden generell keine islamistische Propaganda und keine antisemitische und israelfeindliche Hetze.“
Das Islamische Zentrum Hamburg gilt als verlängerter Arm des iranischen Regimes, das der islamistischen Hamas zu ihrem Angriff auf Israel gratuliert und diesen als „Wendepunkt in der Fortsetzung des bewaffneten Widerstands“ bezeichnet hatte. Faeser erklärte zu den Durchsuchungen: „Wir gehen damit nicht gegen eine Religion oder einen Staat vor.“ An der Razzia waren ihren Angaben zufolge bundesweit rund 800 Polizisten und Polizistinnen beteiligt.
Durchsucht wurden am frühen Morgen den Angaben zufolge Objekte in Hamburg, Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen. In einer Mitteilung des Ministeriums hieß es, die Aktivitäten des IZH, das Träger der Hamburger Imam-Ali-Moschee ist, seien „darauf ausgerichtet, das Revolutionskonzept der Obersten (iranischen) Führer zu verbreiten, das im Verdacht steht, gegen die verfassungsmäßige Ordnung in Deutschland und den Gedanken der Völkerverständigung zu verstoßen“. Die Ermittler schauen sich dem Vernehmen nach auch Konten an. Da es bislang kein Vereinsverbot gibt, wurde aber kein Geld beschlagnahmt. Laut Faeser wurden unter anderem Mobiltelefone, Computer und Schriftstücke sichergestellt. Widerstand leistete nach Angaben ihres Ministeriums niemand.
Durchsucht wurden auch drei Objekte in München. Im Fokus standen dabei mögliche Verbindungen der Islamischen Vereinigung Bayern (IVB) zum IZH. Das IZH soll laut bayerischem Verfassungsschutz in den vergangenen Jahren immer wieder Imame an die IVB in München entsandt haben. Zudem sei in der Satzung des Münchner Vereins festgelegt, dass das Vermögen bei einer Auflösung an das IZH fallen solle.
Der Verfassungsschutz hat laut Ministerium nicht nur die Aktivitäten in der auch als Blaue Moschee bekannten Hamburger Einrichtung im Blick, sondern geht davon aus, dass das IZH „auf bestimmte Moscheen und Vereine großen Einfluss bis hin zur vollständigen Kontrolle ausübt“. Innerhalb dieser Kreise sei häufig eine antisemitische und antiisraelische Grundeinstellung feststellbar, hieß es in der Mitteilung. Mehr als 30 Mannschaftswagen seien noch bei Dunkelheit am frühen Donnerstagmorgen vor der Blauen Moschee an der Alster vorgefahren, sagte ein Augenzeuge. In Frankfurt am Main wurde die Polizei beim „Zentrum der Islamischen Kultur Frankfurt“ vorstellig.
Das American Jewish Committee Berlin begrüßte die Maßnahmen gegen das IZH und sein Umfeld. „Das Mullah-Regime verbreitet über seine Propaganda-Institutionen und Strukturen in Deutschland seine antisemitische, islamistische, homophobe und misogyne Ideologie und stellt eine reale Gefahr für die jüdische Gemeinschaft sowie Oppositionelle, Kurdinnen und Kurden und andere Minderheiten hierzulande dar“, hieß es in einer Mitteilung.
Die Durchsuchungen seien gut, sagte der Hamburger Innenpolitiker Christoph de Vries (CDU). Erstaunt sei er allerdings über den dafür gewählten Zeitpunkt, fügte der Bundestagsabgeordnete hinzu, denn das IZH werde seit drei Jahrzehnten vom Verfassungsschutz beobachtet, alle Fakten hätten längst auf dem Tisch gelegen.
Der Vorstand des Zentralrats der Muslime in Deutschland entschied vor dem Hintergrund der Razzia, die Mitgliedschaft des IZH satzungsgemäß auszusetzen. In einer Mitteilung hieß es: „Es gilt die Unschuldsvermutung, und wir haben volles Vertrauen in unseren Rechtsstaat. Dennoch liegt es im Interesse aller Betroffenen, diesen Schritt bis zur Klärung der Angelegenheit vorzunehmen.“
Als wichtiges Element für die Steuerung der Interessen des IZH dient nach Einschätzung des Verfassungsschutzes der schiitische Dachverband Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands. Der Verband hatte im Herbst 2022 einen Antrag der Ampel-Fraktionen kritisiert, in dem gefordert war, „zu prüfen, ob und wie das „Islamische Zentrum Hamburg“ als Drehscheibe der Operationen des iranischen Regimes in Deutschland geschlossen werden kann“.
Faeser hatte vor einer Woche im Bundestag gesagt, vor kurzem seien Betätigungsverbote für die islamistische Hamas-Bewegung und das Netzwerk Samidoun in Kraft getreten. Den deutschen Ableger von Samidoun habe sie aufgelöst. Sie fügte dann hinzu: „Wir arbeiten schon an weiteren Verboten“. Einige Innenpolitiker der Opposition hatten kritisiert, dass es bei mutmaßlichen Anhängern dieser Vereinigungen parallel zu dem Verbot keine Durchsuchungen gab.
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