Aachen/Ingolstadt (dpa/tmn)- Schluss, aus, vorbei! Noch vor wenigen Jahren hatte es so ausgesehen, als seien die Tage des Verbrennungsmotors in Pkw bald endgültig vorbei. Denn während die EU die CO2-Ziele nach oben geschraubt hat, haben die Autohersteller viel Geld und Know-how in der Entwicklung in den E-Antrieb gesteckt.
Doch jetzt, wo die elektrische Revolution stockt und sie in Brüssel schon über eine Lockerung der Vorgaben für das Jahr 2035 diskutieren, ändert sich auch das Bild in den Entwicklungsabteilungen wieder: Allerorten werden bereits dem Abschied geweihte Aggregate noch einmal über kommende Schadstoffhürden gehoben oder gleich neue Verbrenner-Programme aufgelegt.
„Die Industrie hat so langsam realisiert, dass sich der Durchbruch der Elektromobilität länger ziehen wird als erwartet, gehofft oder gefordert“, sagt Alexander Timmer vom Münchner Strategieberater Berylls by AlixPartners: „Deshalb schicken sie den Verbrenner allenthalben in die Verlängerung, verschieben den Ausstieg und entwickeln viele Motoren weiter.“ Welche Modelle und Techniken sind nun geplant?
An vorderster Front fahren da - keine Überraschung - Luxushersteller wie Ferrari oder Aston Martin. Zwar spielen dort die hohen Kaufpreise allenfalls eine Nebenrolle, doch fehlt deren Kunden beim E-Motor meist die Emotion und das Prestige. Deshalb haben sowohl die Italiener als auch die Engländer gerade einen nagelneuen V12-Motor vorgestellt - so ziemlich der unvernünftigste und am wenigsten wirtschaftliche Motor, den man sich vorstellen kann.
Auch so bei Bugatti, wo jetzt im neuen Tourbillon zum ersten Mal seit Urzeiten ein V16-Sauger zum Einsatz kommt. Warum? „Weil wir es können“, sagt Firmenchef Mate Rimac über den 1324 kW/1800 PS starken 8,3-Liter-Motor. Und es schwingen gleichermaßen Trotz und Stolz in seiner Stimme mit. Dabei ist er sonst vor allem für seine E-Antriebe und den Strom-Sportler Nevera bekannt und damit ein Vorreiter grüner Techniken. „Können“, das heißt für ihn vor allem das Beherrschen der komplexen Technik. Denn ganz ohne E-Technik fährt auch der Hypersportwagen für 3,8 Millionen Euro (netto) 2026 nicht vor – kommt er doch als Plug-in-Hybrid.
Eine eher kritische Distanz zum E-Auto ist aber kein Problem der Elite, sondern erzwingt auch bei den Volumenherstellern ein Umdenken. Mercedes zum Beispiel hat deshalb noch einmal Hand gelegt an die Benziner und Diesel in E- und C-Klasse und sie fit gemacht für die Abgasnorm Euro 7.
Und VW-Finanzchef Arno Antlitz hat kürzlich in Interviews ebenfalls eine neue Verteilung der Entwicklungsbudgets angekündigt: Zwei Drittel der bis 2028 geplanten 180 Milliarden Euro für die Entwicklung seien zwar für Elektrifizierung und Digitalisierung eingestellt. Aber gleichzeitig wolle VW auch die Verbrennerfahrzeuge wettbewerbsfähig halten und lasse sich das im Konzern die restlichen 60 Milliarden kosten.
Audi wird dabei zum Vorreiter. Denn parallel zur lange erwarteten Premium Platform Electric (PPE) haben die Bayern als PPC noch mal eine neue Verbrenner(„Combustion“)-Architektur entwickelt. Die gibt jetzt mit dem neuen A5 ihren Einstand - samt einer komplett neuen Generation an Benzinern und Dieseln.
Sie alle kommen allerdings mit einem neuen Mild-Hybrid-System, kündigte der Hersteller an. Das ermöglicht mit einem extrastarken Anlasser und einer besseren Batterie auf kurzen und langsamen Strecken auch rein elektrischen Betrieb und kann den Verbrauch nach Herstellerangaben noch einmal um rund einen halben Liter drücken.
Auch Toyota hat zusammen mit Mazda und Subaru eine neue Generation von Vierzylinder-Verbrennern vorgestellt, die mit 1,5, 2,0 und 2,5 Litern Hubraum schon bald über die ganze Palette der drei Marken eingesetzt werden sollen.
Aber am weitesten geht die Rolle rückwärts wahrscheinlich bei Renault. Denn die Franzosen haben mit dem chinesischen Geely-Konzern gerade ein Joint Venture gegründet, das unter dem Namen Horse Powertrain nichts anderes tun soll, als neue Verbrennungsmotoren mit und ohne Hybrid-Baustein zu entwickeln.
Geplant unter anderem für die Marken Renault, Dacia, Geely Auto, Volvo, Lynk & Co, Proton sowie Nissan und Mitsubishi solle auf drei Kontinenten 17 Motorenwerke entstehen, die 130 Länder mit bis zu fünf Millionen Triebwerken im Jahr beliefern sollen, teilten die Partner mit.
Mit diesem Kurswechsel sind die Hersteller gut beraten, ist Stefan Pischinger überzeugt. Er leitet das Center for Mobile Propulsion an der RWTH Aachen und sieht im Verbrennungsmotor auch heute noch ein enormes Potenzial für weitere Entwicklungen, die zu einer Verbesserung des Kraftstoffverbrauchs und einer Senkung der Schadstoffemissionen führen.
„Weitere Optimierungen moderner Brennverfahren erlauben insbesondere in Kombination mit zukünftigen synthetischen Kraftstoffen signifikante Wirkungsgradsteigerungen“, ist der Experte überzeugt. Wo aktuelle Ottomotoren auf Wirkungsgrade von bestenfalls 42 Prozent kommen, seinen damit künftig bis zu 50 Prozent möglich.
Zusammen mit ebenfalls neuen Heizkatalysatoren (werden elektrisch aufgeheizt und sind schneller betriebswarm) und weiteren Optimierungen der Verbrennungsverfahren erlaubten diese synthetischen Kraftstoffe zudem einen extrem emissionsarmen Motorbetrieb, so Pischinger.
Begünstigen ließen sich diese Entwicklungen insbesondere in Kombination mit elektrischen Antrieben, also durch die Hybridisierung, führt der Fachmann aus. „Aus einem entweder Verbrenner oder E-Mobilität wird auf diesem Weg ein Sowohl-Als-Auch.“
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