US-Präsident Joe Biden und sein französischer Kollege Emmanuel Macron haben der Ukraine fortdauernde Unterstützung zugesagt – auch wenn die beiden Staatschefs mit Blick auf Kiew nicht bei allen Einzelheiten einer Meinung sind. Die USA stünden fest an der Seite der Ukraine und der anderen Verbündeten, sagte Biden am Samstag nach einem Treffen mit Macron im Élyséepalast in Paris. Auch Macron versicherte, man werde mit der Unterstützung für Kiew so lange und so intensiv fortsetzen, wie es nötig sei. Die US-Regierung hatte allerdings vor dem gemeinsamen Auftritt der Staatschefs klargemacht, dass sie sich an dem neuen Plan Macrons, Militärausbilder in die Ukraine zu schicken, nicht beteiligen werde.
Die Ukraine verteidigt sich mit Hilfe westlicher Waffenlieferungen seit mehr als zwei Jahren gegen einen Angriffskrieg Russlands. Zuletzt wurde immer wieder auch über die mögliche Entsendung westlicher Militärausbilder in das Kriegsgebiet diskutiert, um die unter Druck geratene ukrainische Armee effektiver und schneller zu unterstützen. Frankreich berät nach Angaben Macrons mit anderen Nato-Partnern über einen solchen Schritt. Er hatte am Freitagabend gesagt, mehrere Partner hätten bereits ihre Zustimmung gegeben, und entsprechende Pläne sollten in den „kommenden Tagen“ finalisiert werden.
Die US-Regierung ließ aber bereits wissen, dass sie dabei nicht mitmachen werde. Biden versichert seit Beginn des Krieges, dass er keine US-Soldaten in die Ukraine schicken werde und keinen Krieg mit Russland wolle. An dieser Haltung habe sich nichts geändert, hieß es am Freitagabend aus dem Weißen Haus.
Weder Macron noch Biden schnitten das Thema Militärausbilder bei ihrem gemeinsamen Auftritt am Samstag an. Die beiden gaben lediglich kurze Statements ab - ohne Fragen zu beantworten. Macron bemühte sich dabei, die Gemeinsamkeiten zu betonen: „In der Ukraine-Frage haben wir einen gemeinsamen Standpunkt, nämlich den der Achtung des Völkerrechts, der Freiheit der Völker, über sich selbst zu verfügen.“
Macron äußerte sich außerdem zuversichtlich, was eine Einigung zur Verwendung der Zinserträge aus eingefrorenem russischen Vermögen für Kiew angeht. Frankreich und die USA hoffen demnach, dass alle Mitglieder der G7 einem Kredit in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar für die Ukraine zustimmen werden. Die USA hatten vorgeschlagen, die G7 könnten der Ukraine einen großen Kredit geben, der durch die Zinserträge aus den eingefrorenen russischen Zentralbankgelder abgesichert würde. Die EU-Staaten haben sich dazu bisher zurückhaltend positioniert. Bei dem Treffen der sieben großen Wirtschaftsmächte (G7) in wenigen Tagen in Italien soll dazu möglichst eine Entscheidung erreicht werden.
Mit Blick auf den Nahen Osten begrüßten Biden und Macron die Befreiung von vier Geiseln aus dem Gazastreifen. „Wir werden nicht aufhören, zu arbeiten, bis alle Geiseln nach Hause kehren und eine Waffenruhe erreicht ist“, sagte Biden. Auch Macron sprach sich für diese Ziele aus. Er kritisierte allerdings auch, dass die Lage in der südlichen Stadt Rafah sowie die Zahl der Getöteten und Verletzten nach nunmehr neun Monaten Krieg inakzeptabel seien. Auch könne man nicht tolerieren, dass Israel nicht alle Grenzübergänge für humanitäre Hilfe öffne, wie die internationale Gemeinschaft es seit Monaten fordere.
Macron empfing Biden bei dem Staatsbesuch mit einer pompösen Zeremonie am Pariser Triumphbogen: mit verschiedenen Militäreinheiten, Chor, Gendarmerie-Orchester und einer kleinen Fliegerparade. Begleitet von Reiterstaffeln ging es dann die Prachtmeile Champs-Élysées entlang Richtung Élyséepalast. Dort war für den Abend noch ein festliches Staatsbankett angesetzt. Biden hatte Macron seinerseits 2022 mit viel Pomp als Staatsgast in Washington willkommen geheißen. Macron war der erste ausländische Gast in Bidens Amtszeit, der so geehrt wurde.
Biden ist bereits seit Mittwoch in Frankreich und nahm unter anderem an den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des D-Days in der Normandie teil. Die US-Regierung preist Frankreich als „ältesten Verbündeten“ und die Beziehungen der beiden Präsidenten als „herzlich“ und „eng“. Biden (81) schätze sehr, dass Macron (46) ehrlich und offen sei, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, vor dem Treffen in Paris. Beide Männer scheuten sich nicht, ihre Meinung zu äußern.
Die gehen allerdings immer mal wieder weit auseinander. 2021 etwa gab es größere Verstimmungen wegen eines neuen Sicherheitsbündnisses der Amerikaner mit Australien und Großbritannien, durch das Frankreich einen lukrativen U-Boot-Deal verlor. Bidens Vize Kamala Harris musste damals eigens zu einem Entschuldigungstrip nach Paris reisen, um die Stimmung aufzubessern. 2022 gab es rund um Macrons Staatsbesuch Streit wegen eines Gesetzespakets aus den USA, um die eigene Industrie anzukurbeln und gegenüber ausländischen Wettbewerbern zu bevorzugen.
© dpa-infocom, dpa:240608-99-323514/2