Ob Seilbahnen, Drohnentaxis, das unterirdische Hochgeschwindigkeitssystem Hyperloop oder Magnetschwebebahnen - Vorschläge für neuartige Konzepte für den öffentlichen Verkehr gibt es in Deutschland in schöner Regelmäßigkeit. Meist laufen diese Ideen von Bundes- oder Landespolitikern ins Leere. Unvergessen ist etwa der Versuch des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU), die Vorteile eines Transrapids vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen zu beschreiben. Nicht nur sprachlich blieb das Projekt auf der Strecke.
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Dirk Stettner, hat nun den Bau einer Magnetschwebebahn für die Hauptstadt ins Spiel gebracht. Es soll bereits eine Verständigung mit dem Koalitionspartner SPD geben. Die dafür notwendigen Trassen könnten deutlich schneller und günstiger gebaut werden als etwa neue U-Bahnstrecken, argumentierte Stettner.
Ein weiterer Vorteil, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels beim Berliner Nahverkehrsanbieter BVG: Magnetschwebebahnen sind in der Regel fahrerlos unterwegs. Offen blieb, wo genau eine solche Strecke durch die Stadt führen könnte. Auch der Zeitplan blieb unklar.
Tatsächlich gab es in der Hauptstadt schon einmal eine Magnetbahn. Die sogenannte M-Bahn führte in den 80er Jahren vom Gleisdreieck in Berlin-Kreuzberg über den Landwehrkanal und die Station Bernburger Straße bis zum Kemperplatz in der Nähe des Potsdamer Platzes. 1984 als Versuch gestartet, verkehrte sie von 1989 bis 1991 im Regelbetrieb. Nach der Wende beendete das Land das Projekt schnell und setzte stattdessen auf den Ausbau des U-Bahnnetzes.
Aus Sicht des Verkehrsforschers Andreas Knie war das die richtge Entscheidung - und die Argumente gegen eine Magnetbahn seien weiterhin gültig. „Magnetschwebebahnen sind Hochleistungs-Massenverkehre, die sehr viele Menschen zur gleichen Zeit von A nach B bringen“, sagt der Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität am Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung. „Das wäre eine gute Idee für das Berlin in den 20er, 30er oder 40er Jahre gewesen, aber nicht für das heutige Berlin.“
Die Stadt sei vielfältiger, kleinteiliger geworden. Die vorhandenen Massenverkehrsmittel - U-Bahn, S-Bahn und Straßenbahn - reichten für diese Verkehre völlig aus, betont Knie. „Die Idee, jetzt einen ganz neuen Verkehrsträger zu bauen in einer hochverdichteten, hochversiegelten Stadt, ist aus der Zeit gefallen und einfach sinnlos.“ Es dränge sich der Verdacht auf, dass die Regierungsfraktion mit dem Vorschlag von den wirklich wichtigen Problemen der Berliner Verkehrspolitik ablenken wolle - allen voran vom Konflikt rund um die Aufteilung des öffentlichen Straßenraums.
Noch schärfere Kritik kam vom Berliner Landesverband im Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Insbesondere der Vorschlag, die Magnetbahn aus dem Berliner Klima-Sonderfonds zu finanzieren, sei „eine absolute Verhöhnung aller Menschen, die ernsthaft den Klimaschutz schnell voranbringen wollen“, teilte der Verband mit. „Die Klimakrise ist zu bedrohlich, um mit ihr nach Art einer Spaßpartei umzugehen. Phantasieprojekte aus Beton leisten keinen Beitrag für die Klimaschutzziele.“
Dabei haben Magnetschwebebahnen prinzipiell einen guten Ruf. Angetrieben werden sie nicht von Motoren, sondern von Magnetfeldern entlang der Trasse. Sie haben auch keine Räder, sondern schweben einige Zentimeter über der Schiene. Magnetschwebebahnen gelten als schnell, leise und effizient. Die Technik gibt es seit Jahrzehnten.
Das in Deutschland bekannteste Verkehrssystem dieser Art ist der hierzulande von Siemens und Thyssenkrupp entwickelte Transrapid. Im Einsatz ist er in Deutschland allerdings nirgendwo. Das liegt auch an der tragischen Geschichte: Im Jahr 2006 verunglückte ein Transrapid auf einer Versuchsstrecke im Emsland. Mit rund 170 Stundenkilometern und mehr als 30 Fahrgästen an Bord raste der Zug auf ein Wartungsfahrzeug auf der Strecke. 23 Menschen starben.
Dass sich die Technik in Deutschland nicht durchgesetzt hat, hat laut Verkehrsforscher Knie aber auch andere Gründe: „Magnetschwebebahnen als Verkehrsmittel machen nur Sinn auf Entfernungen von mehreren hundert Kilometern“, sagt er. „Das führt in einem hochverdichteten Land wie Deutschland immer zu Problemen. Da ist Deutschland der falsche Ort für.“
Insbesondere in Westeuropa und den meisten Industriestaaten sei die vorhandene Zuginfrastruktur zudem so weit ausgebaut, dass eine völlige Neukonzeption mit Magnetschwebebahnen wenig Sinn ergebe. Zumal die modernen Hochgeschwindigkeitszüge, was das Tempo angeht, inzwischen durchaus konkurrenzfähig seien.
Infrage kämen Magnetschwebebahnen hingegen bei Planungen für den transeuropäischen Eisenbahnverkehr, insbesondere in Richtung Osteuropa. „Ob nach Warschau, Kiew oder irgendwann auch mal wieder Moskau: Überall dort, wo die Schieneninfrastruktur nicht gut ist, wo wir aber hinwollen, macht die Fernverkehrstechnologie Sinn“, sagt Knie.
Nun bleibt abzuwarten, wie es in Berlin weiter geht. Es gibt weder einen Senatsbeschluss noch sind im aktuellen Haushalt konkrete Mittel dafür vorgesehen. Die Idee an sich ist allerdings nicht neu. In der Diskussion war auch schon eine Strecke vom Stadtrand bis zum Hauptstadtflughafen BER. Ob diese Strecke wie einst in München vorgesehen innerhalb von zehn Minuten zu bewältigen wäre, dazu gibt es in der Hauptstadt bislang keine öffentlich geäußerten Schätzungen.
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